1042 - Das Feuer-Monster
Namen.
»Kann ich Ihnen eine Tasse Tee kochen?«
»Nein, danke, machen Sie sich keine Umstände.«
»Wie Sie wollen.«
Wir standen in einem engen Flur. Eine ebenfalls enge Treppe führte nach oben. Der Boden war mit Holzbohlen ausgelegt, die Wände zeigten einen hellen Anstrich, und die daran hängenden Bilder erfreuten mit ihren Motiven das Auge des Betrachters. Sie zeigten allesamt irische Landschaften in Pastelltönen.
»Charlenes Zimmer ist eigentlich oben. Aber sie liegt in unserem Wohnzimmer. Da habe ich sie besser unter Kontrolle.«
»Das war eine gute Idee, Mrs. O'Brien«, sagte ich.
Das Wohnzimmer war ziemlich klein. Die hellen und ebenfalls passenden Möbel engten ihn aber nicht ein. An den Wänden hing bereits der erste Weihnachtsschmuck. Zwei Kränze aus Buchsbaum fielen in ihrem satten Grün sofort auf.
Auf der hellen Couch lag Charlene. Über ihren Körper war eine bunte Decke gebreitet, so daß wir nur den Kopf des jungen Mädchens sahen. Ein nettes Kind. Blond, mit einem runden Gesicht und blauen Augen. Aber uns fiel auch die Blässe auf, die selbst ihre Lippen erfaßt hatte und sie so bleich machte, daß sie kaum auffielen.
Laura O'Brien sprach mit ihrer Tochter und erklärte ihr, wer wir waren.
»Was wollen die Polizisten denn? Ich habe doch schon so viel gesagt.«
»Bitte, Charlene. Die beiden Herren sind extra aus London gekommen. Sie werden dich auch nicht so sehr mit Fragen quälen. Du möchtest doch auch, daß die schlimmen Dinge aufgeklärt werden.«
»Ja, das will ich.«
»Wunderbar, mein Liebling. Dann gib ihnen die Chance.«
Charlene war einverstanden. Wir holten uns Stühle herbei und stellten sie neben das Bett. Charlene schaute uns aus großen Augen verwundert an. Besonders auf Suko blieb ihr Blick länger haften.
»Kommst du aus China?«
»Ja, da bin ich geboren.«
»Toll.«
»Wieso?«
»In der Schule haben wir über China gesprochen. Unser Lehrer ist in den Ferien dort gewesen. Ich fahre auch mal in das Land.«
»Bestimmt, Charlene, bestimmt.«
Der Blick des Kindes verdüsterte sich. »Ich kann euch aber nicht viel sagen.«
»Das wenige reicht aus«, gab Suko zurück. »Natürlich nur, wenn es dir nicht zu schwerfällt.«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Also, dann mal los, und denk immer daran, daß es vorbei ist. So etwas wirst du nie mehr erleben.«
»Das will ich auch nicht.«
Wir erfuhren in den nächsten Minuten, was Charlene erlebt hatte. Es war ihr durch ihr Erscheinen tatsächlich gelungen, Pfarrer Michael das Leben zu retten. Leider nur für kurze Zeit, denn später war der Killer wiedergekommen und hatte ihn umgebracht. Da hatte sich Charlene glücklicherweise wieder vom Friedhof entfernt.
Uns interessierte die Beschreibung des Mannes, den sie auf dem Grab gesehen hatte. Wir wollten ganz sichergehen, daß es auch Patrick Shannon gewesen war.
Wieder einmal bewies sich, welch gute Beobachtungsgabe Kinder besitzen. Von Charlene erhielten wir eine sehr exakte Beschreibung und nickten uns zu.
Es gab keinen Zweifel. Das Mädchen hatte Patrick Shannon gestört und von einem zweiten Mann nichts gesehen.
»Bist du denn schon vor dem Besuch auf dem Friedhof im Pfarrhaus gewesen?« erkundigte sich Suko.
»Ja, war ich. Die Tür stand offen. Aber Pfarrer Michael war nicht da.«
»Sonst auch keiner?«
»Nein.«
»Wie bist du denn hineingekommen?«
»Von vorne konnte ich nicht. Da war abgeschlossen. Aber es gibt eine Hintertür. Die ist immer offen.«
»Bist du überall im Haus gewesen?«
»Nein, nur unten.«
»Hast du gerufen?«
»Auch. Aber es hat sich niemand gemeldet. Und einen Fremden habe ich auch nicht gesehen«, flüsterte sie.
»Okay, danke. Mehr wollten wir dich eigentlich nicht fragen.«
Charlene wunderte sich. »Deshalb seid ihr zu mir gekommen? Finde ich super.«
»Manchmal sind Kinder eben wichtiger als Erwachsene«, erklärte Suko. »Du bist auch super, Charlene. Und mit der Reise nach China, das klappt sicherlich irgendwann einmal.«
»Meinst du?«
»Klar doch.«
Charlene lächelte wieder, und darüber freute sich auch ihre Mutter. Sie bedankte sich sogar bei uns, daß wir den Streß von ihrer Tochter genommen hatten.
Im Flur blieben wir noch einmal stehen. Charlenes Mutter fragte uns: »Was haben Sie denn vor? Oder was können Sie tun?«
»Einen Mörder stellen, Mrs. O'Brien.«
»Das ist bestimmt nicht leicht, Mr. Sinclair. Ich will ja nicht neugierig sein, aber wo wollen Sie damit anfangen?«
»Hier in Lukon.«
Laura O'Brien
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