1042 - Das Feuer-Monster
Mann keuchte. Er konnte nicht mehr in die Kirche hineinschauen und hatte den Kopf deshalb weggedreht. Selten hatte ihn das Innere einer Kirche so stark gestört. In Blue Ball war es nicht so schlimm gewesen, da hatte er zwar auch gelitten, sich später aber zusammenreißen können. Das war hier nicht möglich. Er wollte weg. Für ihn gab es jetzt nur die Flucht, auch wenn er sich darüber ärgerte und es als persönliche Niederlage hinnahm.
Die schmale Tür zur Sakristei hatte er nicht geschlossen. Sie stand günstig offen.
Malik taumelte in diese Richtung. Aus seinem Mund floß der Speichel, die Beine wollten wieder nachgeben. Er war froh, eine Säule zu finden, an der er sich abstützen konnte. Beinahe hilflos umklammerte er sie für einen Moment, bevor er sich abstieß, sich dabei drehte und die letzten Meter bis zur offenen Tür zurücklegte. Malik taumelte in die Sakristei hinein, schrie dort jammernd auf, starrte seine Hände an, die auch jetzt brannten, als sollte ihm dort die Haut von den Knochen gezogen werden. Er torkelte auf die rückseitige Tür zu, die er mit dem Ellbogen aufdrückte. Im nächsten Augenblick schlug ihm die kalte Luft entgegen, die für seine Hände wirkte wie Löschwasser, denn das Brennen nahm ab.
Nahe der Kirchenmauer stand eine alte Eisenbank, die auch im Winter draußen bleiben konnte. Sie war Maliks Ziel. Er fiel auf diesen Sitzplatz mehr als daß er sich setzte. Der Blick fiel auf einige Birken, die wie Soldaten nebeneinander standen.
Malik sah sie auch. Aber sie drehten sich vor seinen Augen, und der bleigraue Himmel schien auf ihn niederstürzen zu wollen.
Malik streckte die Beine aus. Er stemmte die Hacken gegen den Boden. Er spürte seine Schwäche und ärgerte sich wahnsinnig darüber. In seinem Innern kochte es. Immer wieder mußte er die kalte Luft einatmen, um zu sich selbst finden zu können. Er wollte sich nicht fertigmachen lassen. Der Teufel war sein Freund, er war stärker als seine Feinde.
Malik schaute auf seine Hände.
Die Fratzen malten sich noch immer ab. Sie waren sein Stigma, sie würden auch bleiben. Die Schmerzen allerdings ließen immer mehr nach. Malik spürte, wie die Normalität allmählich zurückkehrte und es ihm besserging.
Ruhig bleiben! befahl er sich. Du mußt nur die Ruhe behalten. Du wirst deinen Zorn im Zaum halten können. Du wirst auch bei deinen Plänen bleiben. Du mußt sie nur eben anders anfassen. Nicht die Kirche, noch nicht. Sie ist an der Reihe, aber später. Bruchstückhaft schossen ihm die Überlegungen durch den Kopf. Malik merkte, daß es ihm immer besser ging. Er atmete freier durch. Die Umgebung drehte sich nicht mehr vor seinen Augen. Ein Blick auf seine Finger ließ ihn weiter hoffen, denn sie waren wieder normal geworden.
»Es geht weiter!« flüsterte er. »Es geht, verdammt noch mal, weiter. Ich lasse mich nicht fertigmachen. Ich werde gewinnen.« Er nahm beide Hände zu Hilfe, um sich von der Bank hochzustemmen.
Normal blieb er stehen. Die Fratzen auf seinen Handflächen waren verblaßt, aber nicht völlig verschwunden.
Er küßte zuerst die rechte Handfläche, dann die linke. »Du wirst mich nicht verlassen. Du hast es versprochen. Du bist mein Schutzengel. Ich zähle auf dich, und du kannst auf mich zählen. Verstehst du? Wir haben einen Pakt geschlossen, und ich denke gar nicht daran, ihn zu lösen. Ich mache weiter. Ich habe den Ort hier von seinem Pfarrer befreit, aber seine Denkmale stehen noch. Ich zeige dir, wie gut ich bin, keine Sorge, auch wenn wir aus der verfluchten Kirche vertrieben worden sind.«
Was er damit meinte, deutete Malik durch eine Blickänderung an. Er starrte auf das kleine Pfarrhaus, in dem er als Killer schon seine Spuren hinterlassen hatte. Jetzt, im Winter, war es gut zu erkennen, denn da hatten die Bäume ihr Laub verloren, das wie ein schmutziger, bräunlich schimmernder Teppich auf dem Boden lag und dabei sowohl Wege als auch den Rasen bedeckte.
Daß ein Polizeisiegel an der Tür klebte, störte ihn nicht. Er würde das Haus durch den Hintereingang betreten wie schon einmal. Da hätte er es auch abfackeln können, aber sein eigener Rausch war so intensiv gewesen, daß er nicht mehr an seine eigentliche Aufgabe gedacht hatte.
Die beiden mit Benzin gefüllten Kanister standen noch neben der Bank. Er nahm sie hoch und schritt damit auf das Haus zu. Diesmal fühlte er sich besser. Ein Pfarrhaus war keine Kirche, auch wenn er dort Dinge sehen würde, die er haßte. Bilder und Kreuze.
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