1042 - Das Feuer-Monster
Veränderung erst einmal verdauen mußte. Er wußte, daß er an einen Scheideweg seines Lebens herangetreten war und nun in eine bestimmte Richtung geführt wurde. Er würde sie gehen, daran gab es keinen Zweifel. Und er würde sich von nichts und niemandem davon abbringen lassen. Jetzt endlich wußte er, wohin er tatsächlich gehörte.
Die Erinnerung verblaßte. Malik kehrte zurück in die Wirklichkeit. Er nahm wieder den feuchten Geruch des Waldes auf, in den er sich in dieser Nacht zurückgezogen hatte.
Es war gut gewesen, sich erinnert zu haben. Dieser Gang in die Vergangenheit hatte ihm die nötige Kraft verliehen, die er für die Zukunft brauchte.
Er ging weiter. Er würde weitermachen, denn er wollte den Teufel auf keinen Fall enttäuschen. Er wollte die Gotteshäuser brennen sehen und die Menschen, die dazu gehörten, ebenfalls.
Seine Lippen bewegten sich kaum, als er flüsterte: »Ich bin der wahre Rächer…«
***
Wir waren in einen Ort gefahren, der Lukon hieß. Dort lebte Charlene, eine wichtige Zeugin, deren Aussagen uns weiterbringen sollten. Patrick Shannon war zweitrangig geworden. Um ihn kümmerte sich der Kollege Biker. Wir hatten ihm erklärt, uns rauszuhalten. Die Ehre, den vierfachen Killer gefaßt zu haben, sollte allein auf ihn zurückfallen. Biker hatte den Mann nach Athlone überführen lassen. In dieser Stadt gab es eine Polizeistation mit angeschlossenen Zellen für Untersuchungshäftlinge. Später würden wir bestimmt noch mal auf den Fall zurückkommen müssen. Charlene war jetzt wichtiger.
Es gab noch einen zweiten Killer. Einen, der gefährlicher war. Der Vergleich zu einem vierfachen Mörder hinkte zwar, doch wir glaubten beide, daß hinter diesem seltsamen Priester eine gefährliche und düstere Macht stecke.
Er hieß Malik, und Walter Kinsley hatte ihn sogar bei sich aufgenommen. Reine Christenliebe, die er ihm verdammt mies vergolten hatte. Dieser Malik war der Initiator. Er hielt die Fäden in der Hand, und er würde weitermachen.
In meinen Vorstellungen sah ich weitere Kirchen brennen. Es sollte und durfte nicht dazu kommen, aber es würde für uns ein verdammt weiter Weg werden.
Es gibt Fahrten, auf denen wir uns unterhalten und sogar Witze erzählen. Das kam hier nicht in Frage. Zu grausame Dinge waren geschehen. Es hatte Tote gegeben. Fünf Männer waren ermordet worden, und der fünfte mußte auch der letzte gewesen sein.
Lukon war kleiner als Blue Ball. Aber es gab eine Kirche, deren Turm wir zuerst sahen, da er alle anderen Häuser überragte. Er war kantig gebaut worden und erinnerte uns an einen viereckigen breiten Schornstein, der in die Luft ragte. Das Gotteshaus war aus grauem Gestein errichtet worden und mußte schon zahlreiche Jahrhunderte auf dem Buckel haben, denn es gehörte noch in die Zeit der Romanik.
Der Dunst der Nacht hatte sich zwar etwas gelichtet, trotzdem war es ein trüber Tag, der über Lukon lag. Ein Wetter, das sensible Menschen schwermütig werden ließ und dafür sorgte, daß die normalen Alltagsgeräusche gedämpft wurden.
Wir fuhren in den Ort. Ausgestorben war er nicht, obwohl er uns fast so vorkam. Die Häuser standen nicht eng beisammen und gruppierten sich auch in verschiedenen Höhen. Hier und da begegnete uns ein Radfahrer, mal rollte ein Auto durch die Straßen, und die oft hellgestrichenen Mauern der Häuser hatten einen feuchten Glanz erhalten.
Da wir langsam fuhren, erwischte uns mach neugieriger Blick der Menschen, die hinter den Fenstern standen und nichts anderes zu tun hatten, als die Straße zu beobachten.
Wo Charlene wohnte, wußten wir nicht. Neben einem Fleischerladen hielten wir an. Ich stieg aus und betrat das Geschäft. Ein Glöckchen bimmelte über meinem Kopf. Ich war der einzige Kunde.
Eine ältere Frau mit gefärbten Haaren stand hinter der Theke, wandte mir den Rücken zu und zerhackte Knochen auf einer dicken Holzplatte. Es roch irgendwie komisch. Nach kaltem Fleisch oder nach ähnlichem. Genau konnte ich den Geruch auch nicht beschreiben. Er war einfach typisch für diese alten gefliesten Fleischereien.
Trotz der splitternden und auch dumpfen Laute hatte mich die Frau gehört. Sie ließ ihr Beil sinken, legte es aber nicht aus der Hand, als sie sich umdrehte und mich anschaute.
Ich lächelte sie freundlich an. Wie nebenbei registrierte ich den dunklen Damenbart auf ihrer Oberlippe. Meine Freundlichkeit kam nicht zurück. Die Frau blieb mißtrauisch. Ich war fremd, sie kannte mich nicht, schätzte mich
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