104a - Die Braut der Bestie
Würmer zerkauen, um nur was zwischen die Zähne zu kriegen."
Sie arbeiteten weiter.
Das Monster vernahm die Schläge, die gegen seine frostige Burg prallten und Stücke daraus losbrachen. Mit großer Anstrengung machte es das eine Augenlid etwas auf. Da stellte es fest, daß es Tag war und die Sonne grell vom Himmel stach. Vor dem messingblauen Himmel, der sich über dem Gletscher spannte, nahmen sich scharf die Konturen der drei Männer aus.
Sie benutzten Geräte, die das Monster ebensowenig kannte wie die Schwerter und Schilde der Wikinger: Spitze Hacken; und sie trieben einen Stollen in das Eis, und mit anderen flachen Geräten räumten sie die gefrorenen Brocken fort. Die Männer waren groß und besaßen Bärte, die nicht ganz so lang wie die der Wikinger, jedoch ebenso zerzaust und wild waren. Sie hatten sich dick vermummt. Ihre Hände steckten in Handschuhen. Unter ihren Mützen erblickte das Monster gerötete, abgekämpfte Gesichter. Irgendwie wurde ihm bewußt, daß die Eislandschaft für sie genausowenig geschaffen zu sein schien wie für schuppige Ungeheuer aus grauen Vorzeiten.
Gerard Baptist, der Franko-Kanadier, Bill Sismar, der US-Amerikaner, und Jens Koopman, der in Nebraska geborene Nachfahre holländischer Einwanderer, vollendeten mit verbissenen Mienen ihr Werk. Schwitzend und schimpfend legten sie das Ungestüm frei und zerrten es mit Stricken aus dem tiefen Eisloch.
„Himmel, da unten liegen noch Leichen!" rief Sismar entsetzt aus.
Seine Kameraden schauten sich ebenfalls den gefrorenen Leichenberg an.
Baptist meinte: „So weit es sich noch erkennen läßt, müssen das Wikinger gewesen sein. Sie wurden förmlich aufgerissen und … Mein Gott, das ist einfach zu schrecklich!"
„Ob das Wesen es getan hat?" fragte Jens Koopman.
„Das fragst du noch?"
„Zu den Zeiten der Wikinger lebte hier im Polargebiet also eine Großechse. Vielleicht waren es mehrere, die erst nach und nach ausgerottet wurden, oder die Gattung von selbst ausstarb. Wißt ihr, was das bedeutet?"
Bill Sismar entgegnete: „Ja. Wir haben eine großartige Entdeckung gemacht. Kein Geschichtsbuch, kein historisches Dokument, keine Überlieferung berichtet von etwas Ähnlichem. Möglich, daß hier früher ein wärmeres Klima herrschte. Kann auch sein, daß die Kreatur sich auf die Umgebung eingestellt hat - durch eine Mutation oder Modifikation. Wahrscheinlich verfügt sie über einen sehr dicken Panzer. Dürfte nicht einfach sein, ihn aufzuschneiden."
„Von Rechts wegen", warf Baptist ein, „müßten wir dieses Exemplar nach Amerika schaffen und den Forschern zur Untersuchung überlassen."
Koopman lachte auf. „Sicher. Aber wie? Auf dem Schlitten kriegen wir es nicht einmal bis zum Lager. Wir brechen vorher zusammen. Wir müssen es verzehren."
„Ja. Aber wenigstens will ich es vorher fotografieren."
Sie zogen das Monster ein Stück von dem Gletscherhang fort, aus dem sie es hervorbugsiert hatten. Die Sonne tat ihr Werk, ließ das restliche Eis auf dem graugrünen häßlichen Leib des Geschöpfes schmelzen. Gerard Baptist lief zu ihrem Schlitten. Sie hatten keine Hunde mehr. Der Großteil war vor Ermattung gestorben, zwei hatten sich losgemacht, waren fortgelaufen und von Wölfen zerrissen worden, einen hatten sie vor Hunger notschlachten und selbst essen müssen.
Gerard entnahm dem Gepäck seine poltüchtige Kamera und zog auch den Karabiner hervor. Er kehrte zum Monster zurück und händigte Bill Sismar die Waffe aus. Gleich anschließend begann er, die schaurige Wesenheit von allen Seiten auf den Film zu bannen.
„Was soll ich mit dem Gewehr?" erkundigte sich Sismar verwundert.
„Man kann nie wissen", gab Baptist zurück.
„Du glaubst, das Tier sei nicht tot?" Jens Koopman lachte ein wenig und geriet dabei ins Husten. Sein Lachen klang röhrend, fast asthmatisch. „I)u liebe Güte!" fuhr er endlich japsend fort. „Ich weiß ja, daß sich Leichname und Kadaver tatsächlich über lange Zeit im Eis konservieren lassen und vollständig erhalten bleiben. Aber richtiges Leben… Na, ich hab' da meine Zweifel."
Bill Sismar betrachtete das Monster-Es sind Hibernations-Versuche angestellt worden. Doch die Laborexperimente stecken noch in den Anfängen. Es hat viele Mißerfolge gegeben. Daß so etwas möglich ist, läßt sich also wissenschaftlich nicht belegen."
„Trotzdem sollten wir vorsichtig sein", erwiderte Baptist.
Das Monster regte sich plötzlich. Letzte Eisscherben sprangen splitternd von ihm ab und
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