1050 - Die Roboter von Ursuf
der geübteste Schwimmer. Sein Ziel war das Boot, das dem Ufer am nächsten lag. Das zweite Fahrzeug war acht- bis neunhundert Meter entfernt. Sie würden sich in acht nehmen müssen, bei ihrem Vorhaben keinen Lärm zu machen. Über die glatte Wasserfläche hinweg war selbst ein geringfügiges Geräusch kilometerweit zu hören.
Als er sich dem Boot bis auf einhundert Meter genähert hatte, sah er, daß sich zwei Kranen darin befanden. Das Fahrzeug war hochbordig - ein Umstand, der seinen Plänen nicht entgegenkam. Die beiden Insassen blickten zum Westufer des Sees hinüber. Das war gut. Die Helligkeit blendete sie.
Mit ausgebreiteten Armen, jetzt nur noch mit den Füßen paddelnd, glitt er auf das Boot zu. Als er noch zwanzig Meter entfernt war, wurde einer der beiden Kranen mißtrauisch und wandte sich um. Für seine geblendeten Augen war der dunkle Teil der Seeoberfläche ein einziges, schwarzes Loch. Nach wenigen Sekunden richtete er den Blick wieder nach Westen.
Atlan hatte den Schocker auf minimale Leistung geschaltet. Er wollte nicht bewußtlos machen, nur vorübergehend lahmen. Die Zeit war eine kritische Größe bei diesem Unternehmen. Wann würde das Boot abgelöst werden? Darauf kam es an.
Die Waffe gab ein kaum hörbares Piepsen von sich. Der Krane, auf den er gezielt hatte, machte eine Bewegung, als wolle er sich strecken. Er wurde starr und sank hinüber. Sein Begleiter wandte sich überrascht um, aber bevor er etwas sagen konnte, traf auch ihn eine schwache Schockladung.
Atlan packte die Bordwand und zog sich daran in die Höhe. Er achtete darauf, die beiden gelähmten Gestalten nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wenn jemand am Ufer auf den Gedanken kam, das Boot durch ein Nachtglas zu beobachten, mußte er die Umrisse zweier Kranen sehen. Er wandte sich um und half den Gefährten an Bord. Das Boot begann zu schaukeln. Ringförmige Wellen glitten über die bisher glatte Oberfläche des Sees. Vom zweiten Boot her kam ein Ruf in der bellenden Sprechweise der Kranen.
Atlan verstand ihn nicht, aber er antwortete in ähnlicher Weise. Das Boot kam wieder zur Ruhe. Das zweite Fahrzeug rührte sich nicht vom Fleck. Er atmete auf. Diese Gefahr war überstanden!
Sie kauerten auf dem Boden. Der hohe Bord schützte sie vor fremden Blicken. Chaktar kauerte vor den beiden gelähmten Kranen. Ihre Augen waren offen. Sie sahen alles, was um sie herum geschah, aber sie konnten sich nicht rühren.
Die Vertiefungen an Chaktars Schädel begannen, auf eigenartige Art und Weise zu blinken. Sie signalisierten in langsamem, einschläferndem Rhythmus, und im selben Takt bewegten sich die kurzen Augenstiele des Ai. Atlan verfolgte den Vorgang mit großem Interesse. Er hatte Chaktar noch nie bei der Arbeit gesehen. Schließlich aber mußte er zur Seite blicken; er lief selbst Gefahr, dem hypnotischen Einfluß des Ai zu erliegen.
Die Kranen hatten keine Chance. Als die Lähmung von ihnen wich, standen sie hilflos unter Chaktars Bann.
„Du kannst jetzt zu ihnen sprechen", blinkte der Ai.
„Sagt weiter nichts, als was ich von euch hören will", befahl der Arkonide. „Sprecht nicht lauter als notwendig. Wann kommt eure Ablösung?"
„In anderthalb Stunden", antwortete einer der beiden.
„Wie geht die Ablösung vor sich?"
„Das Boot mit den Ablösern kommt heraus, und wir fahren ans Ufer."
„Habt ihr Funkverbindung mit der Mannschaft am Ufer?"
„Wir haben einen Radiokom, damit wir Alarm geben können, wenn wir etwas Verdächtiges sehen."
Sie brauchten sich also nicht, wie Atlan befürchtet hatte, in regelmäßigen Abständen zu melden.
„An welcher Stelle des Ufers legt ihr an?" erkundigte er sich.
„Dort, wo die Laubhütten stehen", lautete die Antwort. „Die Hütten sind zum Schlafen hergerichtet."
„Wie viel Gefangene befinden sich in den Gebäuden?"
„Vierzehnhundert."
„Warum so viele?" fragte Atlan überrascht. „Die Ngetu-Station hatte nur achthundert Mitglieder Personal."
„Es sind nicht nur die von der Station", erklärte der Krane. „Wir haben auch die von der Fertigungsanlage im Osten festgenommen und hier eingesperrt."
*
Die Nacht war still und von wunderbarer Klarheit. Atlan lag im Heck des Bootes und sah zu den Sternen hinauf. Wenn er sein Blickfeld soweit einengte, daß er die hoch aufragenden Gestalten der beiden hypnotisierten Kranen nicht mehr sah, dann fiel es ihm leicht, sich einzubilden, er sei weit weg auf einer friedlichen, traumhaft schönen Welt - ein
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