1051 - Als Verfluchte grüßen...
noch das Geschirr in der Spüle stand.
Es gab noch ein Zimmer und eine davon abgetrennte Toilette. Dort blickte ich mich um. In der Naßzelle sah ich keine Dusche. Die hatte sich Hurt selbst gebaut und in den Wohnraum gestellt, der zugleich auch sein Arbeits- uns Schlafzimmer war.
Ein alter Schreibtisch mit einem normalen PC fiel mir als erstes auf. Regale mit Büchern, eine Glotze, eine Hi-Fi-Anlage, leichte Sessel, ein kleiner, viereckige Tisch und einige Flaschen mit Schnaps, die auf der Fensterbank standen. An einer Seite stand das Bett. Es war eine Couch, die sich ausziehen ließ und auch ausgezogen war.
Daß die Kollegen die Wohnung durchsucht hatten, war nicht zu sehen. Es gab kein Durcheinander, alles wirkte so, als hätte der Mieter der Wohnung sie nur für eine halbe Stunde verlassen. Es war hell genug, denn an Licht hatte der Mann nicht gespart. So konnten wir alles sehen, was wichtig war, doch ich fragte mich, was in diesem Fall tatsächlich wichtig war. Liefen wir nicht einem Phantom nach?
Bildeten wir uns nur etwas ein? Waren wir auf der falschen Fährte?
Suko war in der Küche geblieben und hatte mir den anderen Raum überlassen. Ich schaute in den Regalen nach. Nahm einige Bücher hervor und ließ sie auf flattern. Nein, es war nicht wie im Kino, denn hier flatterten mir keine Notizen entgegen.
Mein Weg führte mich auch zum Schreibtisch, auf dem der Computer stand. Ich suchte nach Disketten in den schmalen Seitenladen, entdeckte jedoch keine.
Ein leerer Papierkorb, leere Schubladen, es war zum Verzweifeln.
Nachdem ich etwas wütend mit der Hand auf den Monitor geschlagen hatten, nahm ich mir ein anderes Ziel vor. Neben der Tür stand ein schmaler Kleiderschrank. Viel Klamotten hatte Hurt nicht gehabt. Das wenige verteilte sich auf einer Stange hängend und in drei Fächern.
Optimistisch war ich nicht. Trotzdem machte ich mich auf die Suche. Meine Hände glitten in Mantel-, Jacken- und Hosentaschen, die allesamt leer waren.
Bis auf eine.
Es war die linke Außentasche einer Jeans. Mein Glück war, daß ich die Finger sehr lang gemacht hatte und die Spitzen bis ans Ende der Tasche reichten.
Dort steckte etwas, und es knisterte zwischen meinen Fingerkuppen. Ein zusammengeknüllter Zettel, den ich behutsam hervorholte.
Suko betrat den Raum. Seine Stimme klang nicht eben fröhlich.
»Sorry, nichts gefunden. Du, John?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Wieso?«
Ich war dabei, mit spitzen Fingern den Zettel auseinanderzufalten.
»Das hier habe ich gefunden.«
»Ach. Und?«
Ich lachte leise. »Mal schauen, ob uns William Hurt wirklich etwas überlassen hat.«
Suko trat neugierig näher und schaute zu, wie der Zettel größer wurde. Seine Maße waren etwas die Hälfte eines DIN-A4-Blattes groß. Platz genug, um etwas zu notieren.
Das hatte Hurt auch getan. Mit einem schwarzen Kugelschreiber hatte er Notizen hinterlassen, die Suko und ich mit großem Interesse lasen.
Es waren nur Stichworte. Wenn wir ehrlich waren, hatten wir nicht damit gerechnet, so etwas zu finden.
»Was steht da?« flüsterte Suko.
»Soll ich es dir vorlesen?«
»Ja bitte.«
»Molkh, Salambo, Karthago, Baal…« Mehr war nicht zu lesen. Ich drehte den Kopf und schaute Suko an.
»Was soll das denn?«
»Ich weiß es auch noch nicht.«
Er tippte mit der Fingerspitze gegen den Zettel. »Auch wenn ich dir dumm erscheinen mag, mit einigen Begriffen kann ich schon etwas anfangen. Baal ist ja klar. Karthago auch. Aber was sollen Wörter wie Molkh und Salambo«
»Das gehört alles zusammen, glaube mir.«
»Denke ich mir auch. Nur wie willst du sie in einen Zusammenhang bringen? Bleiben wir mal bei Karthago. Das ist eine ziemlich alte Stadt.«
»Sicher. Sehr alt sogar, und eine phönizische Kolonie am Mittelmeer. Die Karthager haben es verstanden, ihr Reich auszubauen. Sardinien, Sizilien und Spanien standen teilweise unter ihrer Vorherrschaft. Alles noch vor Christi. Bis es dann zu den Punischen Kriegen kam und Karthago von den Römern zerstört wurde.«
»Sehr schön. Aber was hat das mit unseren verschwundenen Kindern zu tun? Oder auch mit Hurt? War er ein Hobby-Archäologe, John?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Dann frage ich mich, warum er sich diese Notizen gemacht hat.«
»Vergiß den Namen Baal nicht.«
»Klar, den kennen wir ja. Unseren Lieblingsgötzen. Die Karthager haben ihn verehrt – oder?«
»Unter anderem. Seine Herrschaft fiel in ihre Blütezeit.«
»Sie haben ihn nicht nur verehrt, sondern
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