1054 - Die Leibwächterin
Der übliche Lärm am Piccadilly.
Die Frau blieb stehen.
In den folgenden Sekunden geschah genau das, womit ich gerechnet hatte und worauf ich gehofft hatte. Aus der Tasche holte die Blonde ein Handy hervor und fing an, eine Nummer einzutippen.
Ich mußte mich beeilen, wenn ich noch etwas retten wollte. Auf keinen Fall sollte sie mit Costello oder einem seiner Leute Kontakt aufnehmen.
Ich bewegte mich sehr schnell. Es machte mir auch nichts aus, daß ich dabei zwei Passanten anrempelte und als Mistkerl beschimpft wurde. Ich wollte die Frau nur am telefonieren hindern.
Sie stand in der Nähe eines Pfeilers und hatte sich ihm zugedreht.
So sah ich ihr Gesicht nicht, aber sie spürte mich, denn ich rempelte sie hart an.
Durch den nicht erwarteten Stoß verlor sie das Gleichgewicht, prallte gegen den Pfeiler, fluchte und verlor dabei ihr Handy. Es landete dicht vor meinen Füßen auf dem Boden, und ich war sehr ungeschickt, denn ich trat mit dem rechten Fuß sehr hart auf das Plastikding. Unter der Sohle hörte ich es knirschen, bekam aber auch den wütenden Schrei mit, den die Blonde ausstieß.
Sie wirbelte zu mir herum.
Ich riß erschreckt den Mund auf und die Arme halbhoch. Zu einer Entschuldigung ließ sie mich nicht kommen, denn sie redete auf mich ein wie ein Irre. Ihre Worte bestanden aus einem akustischen Wasserfall, gegen den ich mich kaum wehren konnte, und sie bestanden aus Flüchen, die sie sicherlich nicht in der Klosterschule gelernt hatte.
Ich gab mich noch immer verunsichert. »Sorry, aber ich habe es nicht gewollt. Ihr Handy…«
»Es ist kaputt, du Trottel!« Sie hob die angewinkelten Arme mit einer zackigen Bewegung, als wollte sie wegfliegen.
»Ich werde es Ihnen ersetzen.«
»Scheiße. Damit ist mir nicht gedient. Ich habe einen wichtigen Anruf zu erledigen gehabt und…«
»Kann ich Ihnen meines so lange überlassen?«
Sie starrte mich an, holte tief Luft, und ihr Gesicht nahm dabei einen immer roteren Farbton an.
Die lockere Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen. »Vorsicht, Madam, sonst platzen Sie!«
Diese Antwort ließ sie endgültig rot sehen. Bevor ich mich versah, schlug sie zu. Ihre Faust war nicht groß, aber hart wie ein kleiner Hammer. Sie hatte sehr tief gezielt, weil sie meinen Magen erwischen wollte. Das war ihr auch gelungen.
Etwas Fremdes schien sich in meinen Körper gefressen zu haben, und ich sackte zusammen, obwohl ich es nicht wollte. Der eine Schlag war ihr Genugtuung gewesen, und die Frau wollte an mir vorbeigehen, um ihren Anruf anderswo zu wiederholen.
Dagegen hatte ich etwas.
Meine Hand sah sie nicht. Dafür spürte sie, wie ich sie an der Jacke zurückzerrte. So heftig, daß sie einen Schrei ausstieß, das Gleichgewicht verlor und rückwärts in meine auffangbereiten Arme stolperte. Sie war so erschreckt, daß sie sich zunächst nicht wehrte und steif wie ein Brett wirkte.
Ich drehte ihr den Arm auf den Rücken. Der alte Polizeigriff war noch immer am wirkungsvollsten, und sie verbeugte sich tatsächlich vor mir, als wollte sie einen Diener machen.
Unsere Streitigkeiten waren aufgefallen. Einige Männer nahmen eine drohende Haltung gegen mich ein, um der Frau zu Hilfe zu eilen. Jemand sprach von der Polizei. Ich sah auch die von den hier ansässigen Geschäftsleuten engagierten Wachtposten heraneilen, die ebenfalls eingreifen wollten.
Es gab nur einen, der mir wirklich half. Suko hatte sich freie Bahn verschafft. Durch das Zeigen seines Ausweises sorgte er für Ruhe.
Im Hintergrund wartete Karina Grischin und hielt sich glücklicherweise zunächst zurück.
»Was war hier los?« fragte Suko.
»Der Scheißkerl hat mein Handy zerstört und mich angegriffen!« schrie die Frau.
»Okay, gehen wir.«
»Wie? Wieso?«
»Ich nehme den Fall auf. Sie wollen doch sicherlich Anzeige erstatten?«
Die Blonde steckte jetzt in der Zwickmühle. »Nein, so schlimm ist es nicht gewesen. Ich meine…«
»Trotzdem, wir nehmen Ihre und die Personalien des Mannes hier auf. Danach können Sie immer noch entscheiden.«
»Aber ich muß telefonieren!«
»Das können Sie immer noch tun!«
Ich übergab Suko die Blonde, die gar nicht merkte, daß wir zusammengehörten. Das fiel ihr erst später auf, als wir in einem in der Nähe parkenden Streifenwagen saßen, den uns die uniformierten Kollegen zur Verfügung gestellt hatten.
Da bekam sie den Mund nicht zu. Wurde kalkweiß und schimpfte uns aus, als wären wir der letzte Dreck. Das Wort Bullenschweine war noch der
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