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1059 - Der Scharfrichter

1059 - Der Scharfrichter

Titel: 1059 - Der Scharfrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der anderen gespannt.
    Jeder, der an der Theke gestanden hatte, wußte hier Bescheid, denn die Köpfe drehten sich mir zu, und der Wirt bekam ein so rotes Gesicht, als sollte es sich der Farbe seiner Haare angleichen.
    Ich setzte mich noch nicht an meinen Platz, sondern blieb am Ende der Theke stehen. Mit dem rechten Zeigefinger winkte ich mir den Wirt herbei, der tatsächlich ankam.
    »Geben Sie dem zweibeinigen, untrainierten Bären dort in der Toilette so lange Lokalverbot, bis er sich gewaschen hat. Er liegt nämlich in der Rinne und hadert mit sich selbst.«
    »Aha.«
    »Ja, und ich bekomme noch ein kleines Bier.«
    Ich hatte ihn durcheinandergebracht, aber das war mir gleichgültig. Ich ging wieder zu meinem Platz zurück. Es war sehr still geworden. Wieder schaute man zu mir hin, aber es war niemand da, der mich ansprach. Ich ging trotz allem davon aus, keinen falschen Platz erwischt zu haben. Jedenfalls hatte ich zunächst für Diskussionsstoff gesorgt.
    Der Wirt kam zu mir an den Tisch. Er brachte nicht nur das Bier, sondern auch einen Whisky. »Der geht auf meine Kosten«, sagte er und setzte sich zu mir. Den Platz hinter der Theke hatte eine alte Frau eingenommen. Sie ähnelte dem Mann und war wahrscheinlich seine Mutter.
    »Erst schicken Sie mir den Halbaffen und dann den Whisky. Die Unterschiede sind sehr groß. Warum das?«
    »Ich habe mich dumm benommen.«
    »Sie haben geredet.«
    »Da ist Urbansky eben durchgedreht.«
    »So heißt er?« Ich grinste. »Netter Name. Was wollte er denn wirklich von mir?«
    Der Wirt kratzte über seinen Kopf. »Ich heiße übrigens Court McMillan.«
    »John Sinclair«, sagte ich. »Auch schottisch.«
    »Gut, wunderbar.« Er räusperte sich. »Sie dürfen es Urbansky nicht übel nehmen. Der Mann hat einiges durchgemacht in der letzten Zeit, denn seine Mutter ist verschwunden.«
    »Einfach so?«
    »Ja, von einem Tag auf den anderen. Und sie tauchte auch nicht wieder auf.«
    »Was sagt die Polizei dazu?«
    »Sie hat aufgegeben. Keine Spur gefunden. Es waren auch fremde Leute. Man kann es ihnen nicht einmal verdenken. Hier auf dem Land ist eben alles anders.«
    »Stimmt. Das habe ich schon herausgefunden. Aber diese Mrs. Urbansky ist nicht die einzige Person, die verschwand.«
    Der Wirt zuckte zurück. »Wie… wie kommen Sie darauf?«
    »Man hört so einiges.«
    »Sie als Fremder?«
    »Ja.«
    »Wer hat den geredet?«
    »Das spielt keine Rolle. Aber ich habe recherchiert. Das gehört zu meinem Job. Ich schreibe Berichte für verschiedene Zeitungen. Besonders für welche, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Ich möchte mithelfen, daß die Geschichte unseres Landes aufgehellt wird, aber nicht so trocken wie in vielen Büchern, sondern plastisch und auch mit Geschichten bestückt.«
    McMillan hatte mir die ganze Zeit über auf den Mund geschaut, wie jemand, der nicht fassen kann, was er hört. Er sah aus wie jemand, den eine Frage quälte, und er hielt damit auch nicht länger über den Berg. »Aber wieso kommen Sie dann zu uns nach Mayne, wenn Sie Historiker sind? Was hat das zu bedeuten?«
    »Gibt es hier nicht auch eine Geschichte?«
    »Ha.« Er rieb über sein rechtes Hosenbein. »Ich wüßte nicht, welche, Mister.«
    »Zum Beispiel die über einen Scharfrichter. Über den letzten, den es hier gab.«
    »Meinen Sie Quinton?«
    Da hatte ich etwas Neues erfahren. »Ach, hieß der Mann so?«
    »Ja. Das war der Name des letzten Scharfrichters. Quinton. Der ist hier bekannt.«
    »Und ihn hat man mit Schimpf und Schande aus dem Ort getrieben, wie ich gehört habe.«
    »Das erzählt man sich.«
    »Warum denn?«
    »Ich habe keine Ahnung. Zu dieser Zeit habe ich noch nicht gelebt. Und die Zeugen von damals sind alle tot.«
    »Das ist mir klar. Nur weiß ich aus Erfahrung, daß sich gerade in Dörfern alte Geschichten immer gut halten. Sie werden ja von Generation zu Generation weitererzählt. Ich kann mir gut vorstellen, daß es hier ebenso gewesen ist.«
    McMillan runzelte die Stirn. »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Nur auf die Wahrheit.«
    »Die kennt niemand.«
    »Doch. Ich nehme an, daß auch Ihnen persönlich bekannt ist, weshalb man den letzten Scharfrichter aus dem Dorf gejagt hat. Allerdings haben Sie Angst, mit mir über das Thema zu sprechen, Mr. McMillan, das sehe ich Ihnen an.«
    Er lachte, und es klang sehr unecht. Ich ließ ihm Zeit und probierte vom gespendeten Whisky, der zu den feinen Stoffen gehörte.
    »Wovor sollte ich denn Angst haben?« fragte

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