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1059 - Der Scharfrichter

1059 - Der Scharfrichter

Titel: 1059 - Der Scharfrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Aber zuvor muß ich noch meinen Weg gehen. Daran wird mich niemand hindern.«
    Eine derartige Chance bekam ich kaum wieder. Es war wichtig, ihn zu schnappen. Ich trug die entsprechenden Waffen bei mir. Die Beretta, das Kreuz, vor allen Dingen mein Talisman würde ihn…
    Meine Gedanken brachen ab, denn es geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Blitzschnell hatte sich aus dem Nichts etwas gebildet, das wie dichter Dampf aussah. Ein seltsames Plasma, das zudem eine unerklärliche Kälte abstrahlte, die mich für einen Moment lähmte. Das Gespinst hüllte den Scharfrichter ein. Ich schaute direkt in dieses Plasmazeug hinein und glaubte sogar, die Umrisse von Gesichtern zu sehen, aber sie waren einen Atemzug später verschwunden, und sie hatten den Scharfrichter mitgenommen.
    Wer waren sie?
    Die Toten? Die Geister der Toten, die dem Mann keine Ruhe ließen? Möglich, aber ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich nicht schnell genug gehandelt hatte. Ich hätte das Kreuz schon bei meinem Eintreten von der Brust wegnehmen können, aber ich hatte es nicht getan und mußte dafür die Quittung zahlen.
    Hinzu war auch die Kälte gekommen. Sie hatte mich wie einen Schlag getroffen und mich für einen Moment gelähmt, den der andere natürlich genutzt hatte.
    Aber die Begegnung war nicht so fruchtlos gewesen. Er hatte mir zumindest einige Hinweise gegeben, und ihnen würde ich nachgehen. Zwar kannte ich seinen Namen nicht, doch ich wußte, daß er der letzte Scharfrichter hier in Mayne gewesen war. Mehr über ihn zu erfahren, war sicherlich nicht allzu schwer.
    Ich ging auf den Klotz zu, auf dem er gesessen hatte. Rückstände hatte er nicht hinterlassen. Die Totengeister waren ebenso spurlos verschwunden wie der Scharfrichter.
    Einen letzten Blick warf ich zurück in das Kirchenschiff. Dort hatte sich nichts verändert. Nach wie vor gehörte die Kirche nicht dem Bösen, denn der Henker konnte sich ja nur an einem bestimmten Platz aufhalten.
    Ich verließ das Gotteshaus.
    Vor mir lag das leere Gelände. Es war kühl und feucht zugleich.
    Die Wolken hingen tief, doch kein Tropfen Regen nieselte daraus hervor. Mein Weg führte mich zurück zum Friedhof. Jetzt würde mir Doug Pinter helfen können. Er stammte aus Mayne. Seine Eltern und Großeltern hatten hier auch schon gelebt. Vielleicht wußte er mehr über den letzten Scharfrichter und dessen Verbannung.
    Pinter saß noch immer auf der Bank. Er hatte seinen Rücken gegen die Lehne gedrückt und seinen Arm über sie gelegt. In dieser Haltung erinnerte er mich an einen Menschen, der sich entspannt auf die Bank gesetzt hatte, um das Licht der Sonne zu genießen.
    Die Sonne schien hier nicht. Und entspannt war der Mann sicherlich auch nicht.
    In mir keimte ein böser Verdacht, der mich zwang, schneller zu gehen.
    Wenig später stand ich vor ihm.
    Er schaute zum Himmel. Sein Blick war so leer. Er würde nie mehr Leben erhalten, denn seine Augen waren die eines Toten.
    Ich senkte den Blick und schaute auf seinen Hals.
    Aus der Wunde war das Blut in einer breiten Spur gelaufen und in die Kleidung gesickert.
    Jemand hatte ihm mit einem scharfen Gegenstand die Kehle durchgeschnitten.
    ***
    Natürlich quälten mich Schuldgefühle. Ich hätte Pinter nicht allein lassen sollen, aber das half jetzt alles nichts. Außerdem hatte er nicht mitgewollt, und ich war auch nicht lange fortgewesen. Jetzt hatte ich es mit einem Toten zu tun und wußte im ersten Moment nicht, wohin ich ihn betten sollte.
    Gut, ich hätte mich hier im Ort bekannt machen können, aber ich wollte die Angst nicht noch vergrößern. Außerdem gab ich mir selbst eine gewisse Zeitspanne, um den verdammten Scharfrichter stellen und vernichten zu können.
    Den Rest des Tages wollte ich abwarten und auch die anschließende Nacht. Wenn denn alles vorbei war, würde ich meinen Kollegen Bescheid geben, damit sie sich um den Toten kümmerten.
    Auf der Bank konnte ich Doug Pinter nicht lassen. Mir fiel das Grab ein, in dem seine Frau lag. Dort wollte ich ihn auch nicht hinlegen. Es erschien mir zu unwürdig. Vielleicht war die Kirche der beste Platz. Er hatte ja dort als Küster gearbeitet. Deshalb hob ich ihn an und ging den Weg wieder zurück.
    Der Tote lag auf meinen Armen. Ich bekam zu sehen, daß dieses verdammte Beil tief in seine Kehle hineingedrungen war, aber es hatte den Kopf nicht vom Rumpf getrennt.
    In der Kirche legte ich ihn an einem dunklen Ort nieder, wo er nicht so schnell entdeckt werden konnte.

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