106 - Das Ghoul-Imperium
Freund!
Ein Wesen, das weder aus Fleisch noch aus Blut bestand. Eine Dampfgestalt.
Boram!
Vicky Bonney mußte ihn losgeschickt haben, weil ich so lange nichts von mir hatte hören lassen. Boram! Selten hatte ich den Nessel-Vampir lieber gesehen!
Lautlos pirschte er sich an den Ghoul heran. Mr. Silver und ich lenkten unseren Bewacher ab, damit er Boram nicht bemerkte. Der Ex-Dämon stieß wüste Drohungen aus, während sich der weiße Vampir dem schwarzblütigen Feind näherte.
»Du lebst nicht mehr lange!« prophezeite ich dem Leichenfresser.
Er grinste. »Ihr seid es, die bald nicht mehr leben werden. Wir werden euch Gaddol zum Fraß vorwerfen!«
Mein Herz schlug bis zum Hals hinauf. Boram stand bereits unmittelbar hinter dem Ghoul. Obwohl sich an meinem Zustand nichts geändert hatte, fühlte ich mich schon beinahe frei.
Boram brauchte nur noch den Ghoul zu vernichten. Ich zweifelte nicht daran, daß ihm das gelingen würde. Jetzt breitete der Nessel-Vampir die Arme aus.
Die Dampfgestalt wurde weit wie ein Segel im Wind. Als Boram sich auf den Leichenfresser stürzte, hielt ich den Atem an.
Der Ghoul brüllte entsetzt auf, als er mit dem Nesselgift in Berührung kam. Der erste Kontakt entzog ihm sofort Energie. Er versuchte, den weißen Vampir abzuschütteln, doch die Dampfgestalt klammerte sich an ihn, nahm fortwährend Ghoul-Kraft in sich auf und rang den Gegner der rasch schwächer wurde, nieder.
Das schwarze Wesen schrie entsetzlich, doch wir hatten kein Mitleid mit ihm. Der Ghoul mußte sterben!
Keuchend unternahm der Leichenfresser alle Anstrengungen, um sich von Boram zu trennen. Es nützte nichts. Boram bekam den Schwarzblütler immer besser in den Griff.
Der Kerl verlor sein menschliches Aussehen, zeigte sich so, wie er wirklich war. Ein gedrungenes, klumpiges, schleimiges Ungeheuer, das mit seinen dreieckigen Zähnen hilflos in die Luft schnappte.
Und dann biß Boram zu!
Der Nessel-Vampir pumpte die gesamte schwarze Kraft des Leichenfressers in sich hinein und wandelte sie in weiße Energie um.
Von dem Ghoul blieb eine gallertartige Masse übrig, die langsam auseinanderfloß und zu einer glänzenden Pfütze wurde.
Boram trat an meinen Sarg und griff nach mir. Ich biß die Zähne zusammen, denn das Nesselgift, aus dem er bestand, brannte höllisch. Aber es mußte sein. Anders konnte er die lähmende Kraft nicht aus meinem Körper holen.
Ich spürte, wie sie nachließ, wie sie aus mir zu ihm hinüberfloß. Innerhalb weniger Augenblicke war ich in der Lage, aus dem Sarg zu springen.
»Danke, Boram!« sagte ich. Grinsend fügte ich hinzu: »Ich schenke es mir, dich zu umarmen.« Dann wandte ich mich an Mr. Silver. »Was ist, du elender Faulpelz! Willst du nicht endlich aufstehen? Wie lange gedenkst du hier noch herumzuliegen?«
»So lange, bis du Gaddol und Answard Brewster erledigt hast«, gab der Ex-Dämon zurück. »Ich hab’s mir gerade gemütlich gemacht.«
»Das könnte dir so passen. Du wirst mir dabei gefälligst helfen. Los, Boram, sorge dafür, daß diese trübe Tasse aufsteht.«
***
Die Fesseln gaben endlich nach. Sobald Jubilee die Hände frei hatte, öffnete sie die Knoten der Fußfesseln, während sich ganz in ihrer Nähe ein grauenerregendes Schauspiel vollzog.
Gaddol nahm Gestalt an. Aus dem grauen Nichts wurde ein feister Körper.
Gaddol hatte einen runden Schädel mit dicken, fetten Wangen. Seine Augen leuchteten gelb, und er hatte einen breiten, monströsen Leib.
Er sah nicht aus wie normale Ghouls. Die grauen Hörner, die kurz und stämmig aus seiner Stirn ragten, ließen erkennen, daß er etwas Besonderes war.
Wer Hörner trug, den hatte die Hölle ausgezeichnet!
Im magischen Kreis lagen die bleichen Skelette der Opfer.
Answard Brewster strahlte.
Was er sich vorgenommen hatte, war ihm gelungen. Wenn Gaddol an einem Bündnis interessiert war, würde er sich ihm anschließen.
Gaddol trat mit schweren, behäbigen Schritten aus dem magischen Kreis.
Jubilee saß zitternd auf dem Boden. Die war zwar nicht mehr gefesselt, aber sie war nach wie vor die Gefangene dieser abscheulichen Höllenbrut.
Wenn sie jetzt aufsprang und zu fliehen versuchte, kam sie wieder nur bis zu dieser Steinquadermauer.
Gaddol bemerkte sie in diesem Moment. Seine gelb lodernden Augen hefteten sich auf sie.
»Wenn du sie haben möchtest, schenke ich sie dir«, sagte der Vampir sofort.
Gaddol sah den Leichenfresser an, der neben Answard Brewster stand. »Bring sie her!«
Der Ghoul
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