106 - Das Ghoul-Imperium
begab sich in die Küche. Bevor sie Licht machte, trat sie ans Fenster und blickte zu dem unheimlichen Haus hinüber. Bis vor kurzem schien das Gebäude tatsächlich leer gestanden zu haben, doch jetzt war es bewohnt.
Eartha hatte keinen zwingenden Beweis dafür. Dennoch war sie davon überzeugt. Das Grauen hatte sich neben ihr eingenistet, und sie rechnete damit, daß sie schon bald damit konfrontiert werden würde.
Eines Nachts würde Answard Brewster in ihr Haus kommen, davon ließ sie sich nicht abbringen.
Es sei denn, Tony Ballard kümmerte sich rechtzeitig um diese Angelegenheit. Aber der Dämonenjäger war ein vielbeschäftigter Mann. Würde er auf einen bloßen Verdacht hin aktiv werden? Gab es für ihn nicht Wichtigeres zu erledigen?
Grauschwarze Schatten lagen dort drüben auf der Veranda. Das Nachbargrundstück schien eine andere Welt zu sein. Eine Insel der Angst. Ein Terrain des Schreckens.
Ein Wind, der nur dort drüben ging, schüttelte Büsche und Bäume, und Eartha Raft befürchtete, daß Answard Brewster in diesem Augenblick auch an einem der Fenster stand und zu ihr herüberschaute.
Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, da trat sie schon erschrocken zwei Schritte zurück. Ihr Herz schlug etwas schneller, und sie wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über die Augen.
Rasch schaltete sie das Licht ein. Dann öffnete sie die Kühlschranktür und überlegte, was sie essen könnte. Sie nahm etwas Butter, Wurst und Käse heraus und trug es zum Küchentisch, holte sich noch zwei Weißbrotscheiben und setzte sich.
Aber sie aß nicht viel.
Immer wieder wanderte ihr Blick zum Fenster.
Er schleicht dort draußen herum! dachte sie, und dieses Gefühl wurde sie nicht mehr los.
Es wurde sehr schnell zu einer würgenden Schlinge, die sich immer enger um ihren Hals zuzog. Bald bekam sie keinen Bissen mehr hinunter. Lustlos stand sie vom Tisch auf und stellte in den Kühlschrank zurück, was übriggeblieben war.
Draußen pirschte tatsächlich eine Gestalt durch den kleinen Vorgarten. Sie näherte sich dem erhellten Küchenfenster. Das Licht ließ ihr Gesicht bleich erscheinen.
Eartha klappte die Kühlschranktür zu und knipste das Licht aus. Sie verließ die Küche und stieg im Dunkeln die Treppe zum Obergeschoß hoch. In ihrem Schlafzimmer zog sie sich aus.
Es war heiß und stickig in dem Raum. Am Tag hatte es die Sonne zu gut für die Jahreszeit gemeint und das Haus in einen Backofen verwandelt.
Die Mauern hatten sich noch nicht abgekühlt. Bei diesen Temperaturen hätte es Eartha Raft im Bett nicht ausgehalten. Sie begab sich deshalb zum Fenster und schob es hoch, um frische Luft hereinzulassen.
Sie versuchte dabei weder an den Gruselfilm zu denken noch zum Nachbarhaus hinüberzusehen. Hastig trat sie vom Fenster zurück. Die milchweißen Gardinen schwebten wie Geisterarme hoch, als wollten sie das Mädchen mit dem kupferroten Haar fangen.
Halb nackt - nur noch mit ihrem Slip bekleidet - begab sich Eartha ins Bad.
Der Mann unten im Vorgarten blickte zum offenen Schlafzimmerfenster hinauf. Das war eine Einladung, die er nicht unbeachtet lassen wollte.
Es war nicht schwierig, an der Fassade hochzuklettern und dieses Fenster zu erreichen.
Der Mann machte sich sogleich an den Aufstieg. Er kletterte sehr geschickt und war im Nu oben.
Jetzt schob er sich wie eine Schlange über die Fensterbank. Er stützte sich mit den Händen auf dem weichen Teppichboden ab und zog die Beine nach.
Nebenan summte die elektrische Zahnbürste, Der Mann richtete sich kerzengerade auf und blickte sich um. Er suchte nach einer Möglichkeit, sich zu verstecken, begab sich zum zweitürigen Schrank und verschwand darin.
Augenblicke später kam Eartha Raft aus dem Badezimmer zurück. Sie trug ein dünnes Nachthemd, das ihre makellose Figur sanft umschmeichelte.
Sie begab sich barfuß zum Bett, schlug die Tagesdecke zurück und legte sich nieder. Dann knipste sie die Nachttischlampe an und griff nach dem Buch, das daneben lag; ein dicker Wälzer, mit dem sie nicht weiterkam.
Anfangs hatte ihr das Buch ganz gut gefallen, aber ab der Mitte war es für sie zur Qual geworden. Der Autor vermochte sie nicht mehr zu fesseln.
Jeder andere hätte das Buch schon längst in den Bücherschrank zurückgestellt, doch so etwas gab es bei Eartha Raft nicht. Wenn sie ein Werk angefangen hatte, biß sie sich bis zum Ende durch.
Sie hoffte, daß ihre Augen und ihr Geist bald so müde sein würden, um einschlafen zu können. Lautlos
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