106 - Der Tod aus der Zauberkugel
glasig und tränten ständig. Fieberschauer durchrasten seinen Körper.
Ein paar Minuten blieb er schwer atmend liegen. Dann stemmte er sich hoch und blickte sich in der Höhle um. Außer ihm war nur Jim Read wach, der auf dem Boden saß und sich an die Wand lehnte. Tony räusperte sich. „Wie geht es dir, Jim?"
Seine Stimme war kaum zu verstehen.
Der Schriftsteller blickte ihn aus geschwollenen Augen an.
„Scheußlich", flüsterte er. „Nun sind wir endgültig verloren, auch wenn uns die Flucht gelingen sollte. Unser Blut wird sich langsam zersetzen."
„Du tust ja geradezu, als ob du ein Fachmann für Vampire wärst", sagte Vernon.
„Ich habe mich damit beschäftigt. Ziemlich eingehend sogar. Ich schrieb mal ein Script für einen Horror-Film."
„Das war Fiction", flüsterte Vernon. Er blickte zum Knochenhaufen hin und beugte sich überrascht vor. „Das gibt es einfach nicht!"
„Was gibt es nicht?"
„Von Pauls Körper ist nur noch ein Skelett übrig. Es ist unmöglich, daß sein Fleisch so rasch…"
„Bei Vampirbissen ist nichts unmöglich", unterbrach ihn Read.
„Ich erkenne Paul nur an seiner Kleidung und seiner Armbanduhr."
Tony schüttelte noch immer den Kopf. Ihm kamen die Ereignisse der vergangenen Stunden völlig unwirklich vor.
Langsam ging er zwischen den Schlafenden hindurch. Neben Diana Crawford kniete er nieder. Das junge Mädchen sah erschreckend aus. Der Hals war auf den doppelten Umfang angeschwollen, das Gesicht eine unförmige Masse. Ihre einst so festen und großen Brüste waren geschrumpft; sie hingen wie zwei leere Säcke auf ihrer Brust, während ihre Beine unwahrscheinlich dick geworden waren. Liz Button sah um nichts besser aus. Er fühlte den beiden Mädchen den Puls, der kaum zu spüren war.
„Für Liz und Diana gibt es wohl kaum noch eine Rettung", sagte er leise.
„Für uns alle gibt es keine Rettung mehr", stellte Jim Read lakonisch fest. „Es wäre besser, wenn wir uns die Pulsadern aufschneiden würden. Das wäre wenigstens ein angenehmer Tod." „Selbstmord kommt für mich nicht in Frage", sagte Tony stur. „Es besteht immer noch Hoffnung." „Uns kann nur ein Wunder retten. Und an Wunder glaube ich nicht mehr. Dazu bin ich zu alt. Und dazu habe ich zu viele verdammte Fernsehstücke geschrieben. Da gibt es zwar immer ein HappyEnd, aber im richtigen Leben ist das anders. Da siegt fast immer das Böse. Das Gute ist dazu da, um zu unterliegen. Aber die Leute wollen ja belogen werden."
„Hör mit dem Quatsch auf!" brummte Tony.
George Mair stöhnte und setzte sich auf. Mit beiden Händen betastete er seinen Hals.
„Der Kapitän ist…"
Jim Read brach den begonnenen Satz ab und blickte zur Wand, in der sich die Geheimtür befand. Ein leises Krachen war zu hören.
„Die Bestien kommen zurück!" keuchte Tony.
Die Wand kippte um. Ein nackter, schwarzhaariger Mann betrat das Gewölbe.
„Wer sind Sie?" fragte Tony Vernon völlig verblüfft.
„Nennen Sie mich Sam Wilson!" stellte sich der durchschnittlich aussehende Mann vor. „Ich will Ihnen helfen."
„Sie wollen uns helfen?" fragte Jim Read spöttisch. „Ich glaube Ihnen kein Wort. Sie sind ein Verbündeter der Vampirin."
„Wir haben keine Zeit für unsinniges Gerede", sagte Sam Wilson hart. „Sie scheinen mir vernünftiger zu sein. Wie ist Ihr Name?"
„Anthony Vernon."
„Sie sind Fernseh-Produzent?"
„Ja, das bin ich. Wie kommen Sie hierher?"
„Das ist eine lange Geschichte, und sie ist auch völlig belanglos. Hören Sie mir zu, Mr. Vernon! Tagsüber schlafen die Vampirin und ihre Diener. Ich führe Sie zu Ihrem Schiff, und Sie verschwinden. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wecken Sie Ihre Gefährten auf!"
„Was hat das alles für einen Sinn, Mr. Wilson?" fragte Read. „Wir wurden alle von Vampiren gebissen. Mit uns ist es aus. So, oder so."
„Da irren Sie sich. Wenn Sie innerhalb der nächsten drei Tage in die richtige ärztliche Behandlung kommen, dann können Sie gerettet werden. Sobald Ihnen die Flucht gelungen ist, steuern Sie die nächste größere Insel an und chartern ein Flugzeug, das Sie nach London bringen soll! Setzen Sie sich in London sofort mit Trevor Sullivan in Verbindung. Er kennt einen Arzt, der Opfer von Vampiren retten kann."
„Sie tun so, als wären Vampire das Normalste der Welt, Mr. Wilson", meinte Vernon.
Wilson lächelte schwach. „Vampire sind noch relativ das Harmloseste, was die Schwarze…" Er brach ab, und sein Lächeln war fortgewischt.
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