1061 - Die Macht der Rhein-Sirenen
hatte.
Jetzt war sie da!
Das Ziel. Die Heimstatt der anderen, und Jane hatte sich bereits daran gewöhnt.
Es war ein Raum, eine Felsenkammer, ein Verlies unter der Erde.
Gefüllt mit einem feuchten Geruch, der von ebenfalls feucht schimmernden Steinen ausging. Es war auch nicht finster, denn aus der Höhe und auch von der Seite her drang das Licht des Tages in dieses Verlies, von dem Jane nicht wußte, wo es sich befand.
Amy stand nicht mehr in ihrer Nähe. Aber sie war schon noch da, ebenso wie die sieben anderen jungen Frauen.
Sie hatteneinen Kreis um Jane Collins gebildet. An den Wänden oder dicht davor hielten sie sich auf und schauten Jane aus verschiedenen Blickwinkeln an. Die Detektivin versuchte, in den Gesichtern zu lesen, was ihr leider nicht gelang. Sie blieben so ausdruckslos wie ihre starre Haltung. Nicht einmal die Lippen zuckten, und auch in den Augen sah Jane kein Leben.
Sie blieben starr. Sie warteten auf etwas, das Gefühl hatte Jane, und sie sahen aus wie normale Menschen. Es war kein Körper dabei, der dicht davor stand, sich in einen Astralleib zu verwandeln. Jede Person hatte ihre normale menschliche Gestalt behalten.
Jane fühlte sich zwar nicht unbedingt bedroht, etwas unheimlich war ihr schon zumute, denn niemand in ihrer Nähe sprach auch nur ein Wort oder wagte es, sich zu rühren. Die Gestalten blieben starr und still, und die Blicke waren und blieben einzig und allein auf Jane Collins gerichtet.
Nur eine kannte sie. Amy eben. Eine andere, Ginny Cramer mit Namen, mußte sich ebenfalls in diesem Reigen befinden. Jane versuchte, herauszufinden, wer es wohl sein könnte. In London hatte Chief Inspector Tanner sie nur undeutlich beschrieben. Blondes Haar, lockig, eine ziemlich pralle Figur. Jane sah tatsächlich eine derartige junge Frau, die direkt neben Amy Steele stand und sich nicht bewegte.
Ich muß etwas tun! dachte sie. Ich muß irgendwie Kontakt aufnehmen. Ich will mit ihnen sprechen können. Jane Collins suchte nach den richtigen Worten.
Amy war aufgefallen, daß Jane sich bemerkbar machen wollte. Sie hob die rechte Hand und trat sogar einen winzigen Schritt vor.
»Jetzt bist du bei uns«, erklärte sie. »Jetzt bist du eine von uns und wirst den Weg gehen, den Hildegarda dir in Hildegards Namen vorschreibt. Du wirst uns dabei helfen, das Böse in dieser Welt zu vernichten und dafür sorgen, daß die Botschaft der Hildegard von Bingen auch in die entlegensten Dörfer Europas getragen wird.«
Jane mußte lachen, obwohl ihr nicht danach zumute war. »Nicht in die Welt hinein? Das enttäuscht mich.«
»Es kommt später.«
»Dann bin ich ja zufrieden.« Sie drehte sich, um jede einmal kurz anschauen zu können. Sehr unterschiedlich zeigten sich die Getreuen der Hildegarda.
Eines hatten sie gemeinsam. Sie alle waren Frauen zwischen und 25 Jahren. Verschiedene Haarfarben, verschiedene Größen, verschieden gekleidet, wobei Amy mit ihrem blutigen Kleid am meisten auffiel.
Gesichter, die sicherlich nett und lieb lächeln konnten, nun aber verschlossen und auch entschlossen wirkten. Jane glaubte nicht daran, daß sie aus diesem, nicht sehr tief unter der Erde liegenden Verlies so leicht fliehen konnte. Obwohl sie eine mit geweihten Silberkugeln geladene Beretta bei sich trug.
Jane schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Amy, aber ich habe deine Worte nicht richtig begriffen. Ihr wollt das Böse aus der Welt schaffen. Daran ist nichts Schlimmes, und das wiederum habe ich mir ebenfalls zur Aufgabe gemacht. Aber dabei kommt es auf die Methode an. Ich glaube auch nicht, daß die echte Hildegard von Bingen sich dazu hat hinreißen lassen, einen Menschen zu töten und damit einen Mord zu begehen. Nein, daran glaube ich nicht. Ihr aber schließt es nicht aus, und damit stellt ihr euch mit denen auf eine Stufe, die ihr ausmerzen wollt. Das kann ich nicht akzeptieren. Au ßerdem kämpfe ich persönlich bereits gegen das Böse, und nicht nur gegen normale Verbrecher.«
Amy schüttelte den Kopf. Ein Zeichen, daß sie sich nicht belehren ließ. »Du wirst auch nicht die echte Hildegard als Beispiel anführen können, sondern unsere Hildegarda, ihre Erbin. Sie hat durch die echte Hildegard ihre Erkenntnis erhalten. Sie weiß genau, was sie zu tun hat, und wir werden den Weg mit ihr gehen.«
»Den blutigen?«
»Auch ihn.«
»Nein«, sagte Jane. »Tut es euch nicht an. Entsagt ihr. Geht weg von hier. Noch könnt ihr es. Noch könnt ihr gerettet werden. Ihr steht vor mir als normale
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