1062 - Und abends kommt der böse Mann
weg wie treibendes Eis auf dem Wasser.
Suko ließ den rechten Arm sinken. Jemand oder etwas hatte es ihm befohlen. Er öffnete die Faust. Die Beretta landete neben ihm auf dem Boden. Dabei hatte er den Kopf nicht zur Seite drehen können. Ununterbrochen starrte er in dieses unwahrscheinliche Augenpaar des Kinderschrecks. Nichts anderes gab es mehr für ihn.
Die Augen waren sein ein und alles. Sein gesamtes Leben. Sie waren die Magnete, er das Metall, und er hatte immer stärker den Eindruck, von ihnen angezogen zu werden. Suko bewegte sich dabei, ohne daß es ihm selbst richtig bewußt wurde. Er trieb auf Monty zu. Er war durch den Blick der blauen Augen gefesselt und spürte dann die Berührung der kalten Hände mit den Spinnenfingern. Sie krochen über seinen Körper hinweg. Sie bewegten sich auf den Hals zu. Es war wie bei Don Rankin, und Suko rechnete damit, daß die Finger des anderen zugreifen und schließlich zudrücken würden.
Nein, Monty tat es nicht. Er streichelte seinen Feind. Es war das sanfte Streicheln eines Teufels, das auch tödlich enden konnte.
Trotz seiner Verblendung zuckten Suko diese Gedanken durch den Kopf, und er rechnete damit, daß sie aufgeführt wurde, aber Monty wollte es nicht. Er hatte mit Suko etwas anderes vor.
»Nein, nicht jetzt. Später. Ich freue mich, dich noch sehen zu können. Du hast mir noch nichts getan. Es wird vielleicht noch kommen, aber ich spüre, daß du anders bist als die normalen Menschen. Du hast mich fast besiegen können. Du wirst es immer wieder versuchen, du sollst es auch versuchen. Ich liebe es, mit Menschen zu kämpfen. Wir werden uns bestimmt noch öfter sehen, aber den Zeitpunkt deiner Vernichtung, den bestimme ich selbst, hörst du?«
Er schwieg.
»Ich werde dich von nun an als meinen Feind einstufen. Ich weiß, daß du mich suchen willst, und ich selbst werde dafür sorgen, daß du mich findest. Denk an den Friedhof. Komm zu den Gräbern. Geh hin, schau sie dir an. Die Gräber meiner Engel. Die kleinen Boten für das Böse, Polizist…«
Ein scharfes Lachen erreichte Sukos Ohren. Einen Moment später erhielt er einen Stoß, der ihn nach hinten fliegen ließ. Er schaffte es nicht mehr, sich auf den Beinen zu halten. Schwer schlug er gegen den zum Glück weichen Boden. Die Augen hielt er offen, sah Monty nicht mehr in seiner Nähe, doch noch immer wirkten diese blauen Blicke nach, als hätten sie sich in seine eigenen Augen regelrecht festgebrannt.
Vorbei…
Nichts mehr. Abgesehen von einem kühlen Windzug, der über Sukos Gesicht strich.
Die teuflische Hypnose verblaßte und führte hinein in die Erinnerung. Suko war endlich in der Lage, die neue Umgebung aufzunehmen.
Er lag rücklings vor dem Heck des Rovers, als hätte man ihn einfach gefällt. Diesmal glitt sein Blick in den Himmel und nicht mehr hinein in dieses kalte Blau der Augen. Er sah die Wolken, doch er nahm sie nur als Schatten wahr. Es fiel ihm noch schwer, die einzelnen Umrisse zu unterscheiden.
Suko rollte sich auf die Seite. Seine große Kraft war dahin. Es bereitete ihm Mühe, auf die Beine zu kommen. Er war einfach schwach. Wie nach einem harten Fight. Blei schien in seinen Adern zu stecken. Es kostete ihn schon Mühe, sich am Wagen aufzurichten.
Monty war verschwunden. Er hatte auch nichts hinterlassen.
Aber Suko hatte seine letzte Botschaft verstanden. Er wußte, was er weiterhin unternehmen würde. Er würde zu den Gräbern gehen, die Kinder besuchen, die zu Engeln geworden waren, und er konnte sich gut vorstellen, daß ihm Monty ein weiteres Mal über den Weg lief. Der Kinderschreck wollte es so. Er hatte ein Spiel begonnen, dessen Regeln er bestimmte. Wie es ausging, das lag nicht in Sukos Händen, sondern wurde allein von Monty bestimmt.
Mühsam bewegte sich Suko auf die Fahrertür zu und schloß sie auf. Er keuchte, als er sie aufzog und erst einmal stehenblieb, wie jemand, der sich das Innere eines Autos genau anschauen will.
Er setzte sich.
Noch war er nicht in der Lage, den Rover zu lenken. Er mußte sich eine Pause gönnen. Die Erinnerung an Monty war einfach noch zu frisch. Besonders die an seine blauen Augen. Suko würde sie nie vergessen, und dieses Paar würde ihn bis in seine tiefsten Träume hinein verfolgen.
Er klammerte sich am Ring des Lenkrads fest. Was ihm sonst leichtfiel, bedeutete für ihn jetzt eine schweißtreibende Anstrengung. Er wollte sich einen Plan zurechtlegen. Der Friedhof ging ihm dabei nicht aus dem Kopf, aber er wußte genau,
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