1062 - Und abends kommt der böse Mann
nicht stoppen.
Monty setzte seine Schritte. Er ging leise. Er schlich. Es war kaum zu hören, wie er den Boden berührte. Wie die Kufen eines Schlittens schienen die Füße darüber hinwegzuschleifen.
Dann stand er vor ihm.
Rankin mußte, ob er wollte oder nicht, direkt in die blauen Rundungen der Augen schauen. Er nahm die Farbe noch intensiver wahr und glaubte plötzlich, darin zu versinken.
Sie waren wie zwei tiefe, grundlose Teiche, aus denen es kein Entrinnen gab. Obwohl Rankin noch Kontakt mit dem Boden besaß, fühlte er sich in die Höhe gehoben. Er war plötzlich so leicht. Nur konnte ihm diese Leichtigkeit nicht gefallen. Sie brachte ihn völlig aus dem Rhythmus. So etwas hatte er noch nie erlebt. Das Durcheinander in ihm war perfekt. Er wußte nicht mehr, ob er sich überhaupt noch bewegen konnte. Monty hatte die Kontrolle über ihn bekommen.
Und Monty faßte ihn an.
Das Fenster stand offen. Rankin wohnte im dritten Stock. Wer aus ihm hervor nach unten fiel, hatte so gut wie keine Überlebenschance.
Der Kinderschreck schaffte ihn nahe an das Fenster heran, stemmte ihn über seinen Kopf, um einen Blick in die Tiefe werfen zu können.
Die Strahlen der Sonne hatten mehr Menschen aus ihren Wohnungen hervorgelockt. Der Hof lag zum größten Teil im Glanz der Sonnenstrahlen. Stühle waren ins Freie geschafft worden.
Kinder tollten herum.
Der Schrei alarmierte die Menschen im Hof.
Sie fuhren herum, sie schauten in die Höhe, denn der Ruf war von oben gekommen.
Für einen kurzen Moment noch sahen sie den Körper. Wirklich nur Bruchteile von Sekunden.
Dann prallte er auf.
Und am Fenster stand der Killer. Monty, the Angel. Der Mörder, der sein gellendes Lachen in die Tiefe schickte und die Menschen damit erschreckte.
Alle schauten hoch, selbst die Kinder.
Und alle sahen diesen häßlichen Totenschädel innerhalb des offenen Fensters. Sie sahen das Maul, sie sahen die sich durch den Wind bewegenden Haare, und sie sahen, wie er langsam seinen Arm hob und sie grüßte. Sie waren entsetzt, denn jeder von ihnen wußte, daß es der personifizierte Tod war, der ihnen winkte…
***
Don Rankin hatte sein Versprechen gehalten, war ins Büro gekommen und war auch wieder verschwunden, wie wir von Glenda Perkins erfahren hatten. Er war auch nicht mehr wichtig für uns. Es gab andere Dinge, über die wir uns Gedanken machen mußten. Der Kinderschreck persönlich hatte uns einen Hinweis gegeben. Es ging um ein Fest. Wann, wo und wie fand es statt?
Darüber sprachen wir mit Glenda, die uns ratlos anschaute. »Ich weiß nicht, aber wie kommt ihr gerade auf mich? Sollte ich irgendwelche Termine im Kopf haben? Über Feste und über…«
»Nicht direkt«, fiel ich ihr ins Wort. »Wir haben Frühling. Das ist die Zeit der ersten Jahrmärkte, der Frühlingsfeste. Man liest die Werbung überall in den Zeitungen und…«
Diesmal unterbrach mich Glenda. »Euch geht es um ein besonderes Fest? Ein Kinderfest – oder?«
»Nein, nicht direkt«, sagte ich. »Von einem Kinderfest haben wir nicht gesprochen.«
»Oder er nicht«, sagte Suko. »Wir nehmen es nur an. Es liegt zudem auf der Hand. Monty will Kinder zu Engeln machen. Das hat er oft genug bekanntgegeben. Da dachten wir uns, daß er auf einem Kinderfest genau richtig ist, obwohl er nur von einem Fest gesprochen hat. Hundertprozentig sicher sind wir eben nicht.«
Glenda wollte etwas erwidern, als Sir James kurz in das Vorzimmer schaute. Er winkte uns sofort zu und bedeutete uns, mit in sein Büro zu kommen. Sein Gesicht sah nicht eben fröhlich aus, und wir fragten uns, was passiert war.
Ich betrat das Büro als letzter und schloß auch die Tür. Sir James hatte sich noch nicht gesetzt. Er stand vor seinem Schreibtisch, schaute auf das Fenster und wirkte dabei wie ein Mensch, der nach Worten suchte. Es fiel ihm etwas schwer. Schließlich gab er uns bekannt, was er wußte, und begleitete den Satz mit einem tiefen Atemzug.
»Don Rankin ist tot!«
Wir schwiegen. Schauten uns an. Suko kniff die Lippen zusammen, ich fluchte leise, und auch einige Schuldgefühle stiegen in mir hoch. Wir hätten Rankin besser unter Kontrolle halten sollen.
»Wie geschah es?« fragte Suko.
»Man warf ihn aus dem Fenster!«
»Monty!«
Sir James nickte. »Ja, er muß es gewesen sein. Er hatte zudem noch die Frechheit, sich im offenen Fenster zu zeigen. Zahlreiche Zeugen haben ihn gesehen, aber sie sahen ihn wohl anders, als Sie beide. Er hatte sich wahrscheinlich eine Maske
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