1064 - Horror-Line
so einfach nicht abschieben lassen, das stand fest.
Diesmal schellte ich. Und wieder dauerte es nicht lange, bis jemand öffnete. Diesmal voll. Während die Tür nach innen gezogen wurde, hörten wir zugleich ein düsteres Knurren, und einen Moment später schauten wir von oben herab auf das weit geöffnete Maul eines Pitbulls, der auf seinen Hinterpfoten stand und uns deshalb nicht ansprang, weil er an einer Leine hart zurückgezerrt wurde.
Die Halterin der Leine war genau die Frau, die uns schon beim erstenmal geöffnet hatte. Sie sah nicht gerade entgegenkommend aus und war auf keinen Fall erfreut, uns schon wieder zu sehen. Nur mühsam zerrte sie ihren Kampfhund zurück.
Ich hatte ihr einen schnellen Blick zugeworfen und mir ihr Aussehen eingeprägt. Vor uns stand eine Frau, deren Alter nur schwer zu schätzen war. Jedenfalls war sie über Vierzig und wirkte etwas ungepflegt. Das dunkle Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Das Gesicht wirkte schmal, verhärmt, und der Körper schien zum Großteil nur aus Knochen zu bestehen. Selbst unter dem hellen Kittel malten sie sich ab. Dunkle Knopfaugen starrten uns, an. In ihnen flimmerte der Haß. Neben dem halboffenen Mund zeichneten sich Falten ab, und der Köter hechelte und knurrte, was seine Kehle hergab.
»Ich habe euch doch gesagt, daß ihr euch verpissen sollt!« fuhr sie uns an. »Oder wollt ihr, daß euch mein Hund küßt?«
»Nein«, sagte ich. »Weder Ihr Hund noch Sie. Nur sollten Sie etwas schlauer sein und einen Blick auf das Dokument werfen, das ich in der Hand halte.«
Sie wollte nicht, aber ich zwang sie durch eine Bewegung, doch hinzublicken.
»Bullen?«
»Scotland Yard, Madam. Und wir sind nicht zum Spaß hier, um mit den Ohren zu spannen.«
»Was wollen Sie denn?«
»Das sollten wir drinnen besprechen. Es könnte unter Umständen etwas länger dauern.«
Sie überlegte nicht mehr länger. Sicherlich sah sie ein, daß es besser für sie war, sich nicht mit Scotland Yard anzulegen. Und auch den Kampfhund bekam sie ruhig. Ein paar gezischte Befehle reichten aus, um ihn kuschen zu lassen.
Erst dann gab sie den Weg frei. Richtig lieb war der Pitbull noch immer nicht. Er beobachtete uns und hechelte dabei wie jemand, der dicht davorstand, zu verdursten.
Die Umgebung gab zumindest hier nicht eben das wieder, was man sich von einer Telefonsex-Zentrale vorstellte. Sie war nüchtern mit ihren grün angestrichenen Wänden und dem grauen Bodenbelag, und nur die verrahmte Glastür am Ende des Ganges lockerte die Atmosphäre ein wenig auf. Ansonsten war diese Umgebung hier zum Weglaufen.
Die Frau ging vor uns her. Sie stieß die Glastür auf und ließ zuerst den Kampfhund durch. Dann folgten wir. Wir gelangten in einen Vorraum, von dem mehrere Türen abzweigten. An der Wand hingen einige Kleidungsstücke an Haken. Dessous waren dort nicht zu sehen. Nur dünne Jacken und ein leichter Mantel. Kaffeegeruch wehte in unsere Nasen, als wir in eine schmale und lange Küche gingen, deren Tür die Frau geöffnet hatte.
Der Kaffee brodelte in einem Topf vor sich hin, der auf einem halbhohen Schrank stand. Es gab ein Fenster, doch es fiel kaum Licht durch die Scheibe, weil es zu tief lag.
Mir fielen die zahlreichen leeren Stühle auf, die um einen rechteckigen Tisch standen. Die Frau hatte wohl meinen fragenden Blick bemerkt und verzog den Mund. »Momentan herrscht Hochbetrieb. Da ist in den meisten Firmen Mittagspause.«
»Und die nutzen die Männer demnach für ein Schwätzchen aus«, sagte ich.
»So ist es. Sie können sich setzen.« Die Frau nahm ebenfalls Platz. Sie saß am schmalen Ende des Tischs, während der Kampfhund friedlich und wachsam neben ihr lag.
»Wie heißen Sie eigentlich?« fragte Suko.
Die Antwort erhielten wir, nachdem sich die Frau eine Zigarette angezündet und den ersten Rauch über den Tisch geblasen hatte. »Ich heiße Elly Danford.«
»Sie sind die Chefin hier?«
»Ja.«
Ich fragte: »Wie viele Mädchen arbeiten für Sie?«
Elly Danford zuckte mit den Schultern. »Das kann ich Ihnen nicht so genau sagen. Es ist unterschiedlich. Die Crew ist nie gleich stark. Es kommt immer darauf an, wieviel Betrieb hier herrscht.«
»Heute mittag sind wohl alle da.«
»Fast.«
»Was heißt das?«
Sie drückte ihre Zigarette in einem Ascher aus, der schon voll war. »Hören Sie zu. Ich lasse den Mädchen und Frauen freie Hand. Wer kommen will, der kommt, wer nicht erscheint, der bleibt eben weg. Ist das Antwort genug?«
»Nein«,
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