1064 - Horror-Line
Feger.«
»Robert hatte Geschmack.«
»Ob seine Frau die auch kennt?«
»Kannst sie ja mal fragen.«
»Ich werde mich hüten.«
So und ähnlich liefen die Gespräche ab. Auch die Unbekannte hörte das flüstern. Offen kümmerte sie sich nicht darum, aber sie ging auf die Gruppe zu, und die Männer merkten, wie sich ihnen die Duftwolke des Parfüms näherte.
Als sie nahe genug heran war, nickte sie ihnen zu. »Ich bin leider etwas zu spät gekommen«, sagte sie und stellte sich dabei auf die Zehenspitzen, weil sie einen Blick auf das Grab erhaschen wollte.
»Kannten Sie Robert?«
»O ja…«
»Woher denn?«
Sie hob die Schultern. »Wir hatten hin und wieder geschäftlich miteinander zu tun.«
»Aha. In welcher Branche arbeiten Sie denn?«
Candy hob für einen winzigen Moment den Schleier in die Höhe, zeigte ihr Gesicht und ein bestimmtes Lächeln. »Raten Sie mal«, sagte sie raunend und ging weiter.
Die Männer ließen sie gehen uns sprachen erst, als die Fremde außer Hörweite war. Diesmal lachten sie leise. Es durfte auf keinen Fall auffallen.
»In dieser Branche hat sich Robert also auch ausgekannt«, sagte einer, der schnell seine Hand auf die Lippen legte, wie jemand, der sich für die Worte schämte.
»Denkst du an eine Nutte?«
»Aber eine vom Feinsten.«
»Woher weißt du das denn?«
»Tja, das gehört zur Allgemeinbildung.«
Jemand im Hintergrund, der zugehört hatte, kicherte leise. »Allgemeinbildung ist gut. Das erfordert schon Spezialkenntnisse, die man sich ruhig aneignen sollte.«
»Mit der nötigen Kohle im Rücken«, erklärte der erste Sprecher wieder.
»Wie immer im Leben.«
Candy interessierte sich nicht für die Männer. Sie hatte so etwas wie eine Duftnote gesetzt und war weitergegangen. Daß sie fremd war, wußte sie, und zu sehr wollte sie nicht auffallen.
Deshalb umrundete sich die Mitglieder der Trauergemeinde in einer gehörigen Entfernung. Dabei nutzte sie die Deckung der Bäume und auch die der älteren Gräber und Gruften aus, die so gepflegt wirkten wie manch kleine Grundstücke. Soviel Candy erkennen konnte, achtete niemand auf sie.
Die versammelten Menschen interessierten sich für das Geschehen am Grab, wo ein Pfarrer stand und die letzten Worte sprach.
Neben einem knorrigen Baum blieb sie stehen. Wenn sie nicht alles täuschte, war es eine Eiche, deren Geäst ziemlich tief wuchs, so daß sich Candy bemühen mußte, durch die Lücken zu schauen.
Aber das reichte ihr schon aus.
Sie sah die Leute vor sich.
Gesichter von Frauen und Männern. Auch einige Kinder befanden sich dabei.
Sie standen ebenso traurig da wie die Erwachsenen. Hin und wieder hörte sie ein Schluchzen. Die Personen, die nahe beim Grab standen, waren am meisten vom Tod des Mannes betroffen.
Die Lebenden interessierten Candy nicht sekundär. Wichtig waren die Toten. Die Personen, die sie nicht sah. Die unter der Erde lagen und allmählich verwesten. Sie waren ihre Beute, und Candy spürte sie genau. Es kam ihr vor, als wären all die Leichen dabei, Signale auszusenden, die nur dafür da waren, um von ihr empfangen zu werden.
Der Geruch machte sie an. Er wehte aus dem Boden zu ihr hoch. Er war einfach wunderbar. Für sie wie ein Appetitanreger. Er machte sie nicht nur nervös oder unruhig, er ließ zugleich auch die Gier in ihr erwachen. Ihre Augen erhielten wieder den bestimmten Glanz. Nur mühsam konnte sie die äußere Ruhe behalten. Der Hunger nach dem Fleisch der Toten wurde übermächtig. Hier lag unter der Erde ein wahres Festmahl für jeden Ghoul. Noch konnte sie nicht heran, doch lange würde es nicht mehr dauern. Die Zeit des Wartens war vorbei. Candy wollte auch ihrem Job nicht mehr nachgehen. Sie hatte eine perfekte Tarnung aufgebaut. Zusammen mit Fay, aber sie hatte einfach zu lange warten müssen, um sich das zu holen, was sie brauchte. Die Gier war gewachsen, ebenso wie der Hunger. Sie wollte das alte Fleisch, sie mußte es einfach haben, und schon bald merkte sie, daß die großen Abstände nicht mehr reichten.
Sie hatte durch geschicktes Fragen herausgefunden, wer die Anrufer gewesen waren. Dann war sie zu ihnen gegangen, um sie zu töten und es sich anschließend gutgehen zu lassen.
Wie bei Ted Riordan, wie bei Eric Morgan. Bei ihm besonders. Bei Ted hatte sie sich noch nicht so recht getraut, doch bei Morgan hatte sie einfach zuschlagen müssen. Über ihn hatte sie sich regelrecht gestürzt, aber die Sucht war noch nicht gestillt. Es ging weiter. Es würde
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