1066 - Avalons Riesen
stehen. Nadine wollte wissen, wo unsere Zimmer lagen.
»In der ersten Etage.«
»Willst du dorthin?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Es ist eigentlich nur Mrs. Dolby wichtig. Sie hat ihr Schlafzimmer irgendwo hier unten, wie ich weiß.«
Bill war schon vorgegangen. Er hatte eine Tür geöffnet. Es war die Küche. Die nächsten Türen lagen in einem kleinen Flur, der dunkel war. Bill probierte den Schalter. Er gehörte noch zu denen, die herumgedreht werden mußten und dabei ein entsprechendes Geräusch abgaben. Das »Klick« hörten wir, die Lampe allerdings blieb dunkel.
»Magie siegt über Technik«, sagte Bill und stieß noch eine Verwünschung aus.
Wir blieben trotzdem nicht ohne Licht, denn ich holte meine Lampe hervor. Sie funktionierte noch, denn ihr Strahl stach scharf in die Dunkelheit hinein, fiel als Kreis gegen die Schlafzimmertür, und zahlreiche Staubkörner tanzten zitternd in ihrem langen Ausschnitt.
Ich überließ es Bill, die Tür zu öffnen und leuchtete nur an ihm vorbei. Das Licht tanzte geisternd durch den kleinen Raum, erwischte auch ein Bett, auf dem eine Gestalt lag.
»Mrs. Dolby«, meldete Bill. Er trat zur Seite, damit wir den Raum bequemer erreichen konnten.
Sie lag tatsächlich auf dem Bett. Und zwar wie hingegossen. Halb auf dem Rücken, halb auf der Seite. Den rechten Arm angewinkelt, den anderen ausgestreckt. Sie hatte sich nicht einmal ein Nachthemd angezogen. In ihrer normalen Kleidung lag sie auf dem Bett. Die Müdigkeit mußte sie voll erwischt haben, als sie auf dem Weg gewesen war, um ins Bett zu gehen.
Es war Platz genug, um neben dem Bett stehenbleiben zu können.
Wir blickten ziemlich verlegen auf die schlafenden Frau, deren Atemzüge nicht zu hören waren.
Sicherheitshalber überprüfte Bill ihren Pulsschlag. »Er ist da, aber kaum zu fühlen.«
Ich leuchtete das Gesicht an. Es wirkte nicht entspannt, wie es normal gewesen wäre. Das Bedürfnis nach Schlaf mußte sie völlig überraschend erwischt haben. Sie war von einer Sekunde zur anderen auf das Bett gefallen und so liegengeblieben.
»Wenn wir sie wecken könnten, wüßten wir mehr«, sagte Bill.
»Aber wie?« fragte Nadine.
»Oft hilft ja kaltes Wasser.«
»Aber nicht hier.« Ich schüttelte den Kopf. »Das ist kein normaler Schlaf.« Ich entfernte mich von den beiden und ging zur anderen Seite des Bettes zum Fenster. Ich schaute hinaus. Draußen hatte sich nichts verändert. Es war nach wie vor so verdammt dunkel, und keine Lampe spendete Licht.
»Hast du eine Ahnung, Nadine, wie diese Magie der Riesen funktioniert hat?«
»Nein, leider nicht«, gab sie mit traurig klingender Stimme zu.
»Ich weiß ja, daß es wichtig ist. Wir könnten ein Gegenmittel finden, wenn wir herausbekämen, was da und wie es passiert ist. Aber…«
»Zumindest ist Mrs. Dolby beeinflußt worden. Wie auch die übrigen Bewohner. Avalon griff zu. Du lebst dort, Nadine, aber…«
»Bitte, mach mir keinen Vorwurf. Die Insel ist für mich ein Fluchtpunkt. Sie ist meine neue Heimat, mehr nicht, John.« Sie zuckte mit den Schultern. »Tut mir echt leid.«
»Dich nennt man den Sohn des Lichts, John.«
Bills Bemerkung überraschte mich. »Was willst du damit sagen?«
»Na ja, du bist verschiedene Male wiedergeboren worden.«
»Ich habe nicht auf Avalon gelebt.«
»Das meine ich damit auch nicht, doch auch ein Richard Löwenherz, der du mal warst, war zwar kein Magier, aber er kannte schon Wege und Mittel, um mit der Vergangenheit in Kontakt zu kommen. Er hat die Ritter um König Artus akzeptiert… nun, wie soll ich das sagen. Er hat ja auch dein Kreuz besessen. Vielleicht solltest du damit einen Versuch starten, um Mrs. Dolby aus ihrem unnatürlichen Schlaf hervorzuholen. Kann durchaus sein, daß dein Kreuz trotz allem etwas bewirkt.« Er lächelte mir über das Bett hinweg zu.
»Ist nur ein Vorschlag gewesen, John. Was du daraus machst, ist deine Sache.«
»Du denkst an eine Aktivierung.«
»Auch.«
Ich bewegte meinen Mund, ohne zu sprechen. Zwei Augenpaare blickten mich gespannt an. Es war nicht leicht für mich, eine Entscheidung zu treffen, und meine Gedanken teilte ich den beiden auch mit.
»Sollte ich tatsächlich die Macht des Kreuzes einsetzen können, dann wissen wir nicht, was mit den Menschen geschieht. Wären sie nicht dabei, wäre alles für mich kein Problem. So aber bin ich schon skeptisch und auch ängstlich.«
»Du solltest es trotzdem versuchen.« Nadine pflichtete Bill bei. »Es ist eine Chance. Der
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