1066 - Avalons Riesen
auch schwer, mich zu erinnern. Ich… ich … habe das Gefühl, daß im Kopf alles anders ist. So ein Durcheinander. Verstehen Sie das, Mr. Sinclair?«
»Klar, so etwas gibt es.«
»Mir ist das noch nie zuvor passiert«, gab sie zu. »Alles ist anders gekommen. Nichts war mehr normal. Eigentlich habe ich mich noch nicht hinlegen wollten. Ich bin nur hier ins Schlafzimmer gegangen, um etwas zu holen. Ich war in der Nähe des Betts, und da ist es dann passiert. Es kam plötzlich über mich. Das war wie ein Schlag aus dem Unsichtbaren, der mich von den Beinen riß.«
»Können Sie das genauer erklären?«
Sie wollte es, doch sie sah plötzlich Nadine Berger, die ihr fremd war. »Wer ist die Frau?«
»Eine Freundin«, sagte ich. »Sie können ihr ebenso vertrauen wie uns. Keine Sorge.«
»Ja, dann bin ich zufrieden.« Sie räusperte sich und setzte sich auf.
»Was wollen Sie noch wissen?«
Ich wiederholte meine Frage.
»Ja, wie gesagt. Ich bin hier im Zimmer gewesen. Es war wirklich alles so normal, dann aber nicht mehr. Ich bin gar nicht dazu gekommen, etwas aus dem Schrank zu holen. Urplötzlich erwischte mich die Müdigkeit. Das habe ich in meinem langen Leben noch nie erlebt. Es riß mir einfach die Beine weg. Ich habe ja großes Glück gehabt, daß das Bett in der Nähe stand. So bin ich nicht zu Boden gefallen. Ja, das ist wirklich Glück gewesen.«
»Und weiter? Was geschah dann?«
Sie schüttelte den Kopf. »Auch wenn Sie mich steinigen, daran kann ich mich kaum erinnern. Bei mir fiel plötzlich der Vorhang. Ich trat weg, ich war müde.«
Damit wollte ich mich nicht zufrieden geben. »Haben Sie wirklich nichts gespürt?«
»Was denn?«
»Keine andere Macht? Wie auch immer. Eine fremde Kraft, gegen die Sie nicht ankamen?«
Aus ihrer Sicht war es eine gute Frage, die ich ihr leider nicht beantworten konnte. So blieb sie in ihren Gedanken stecken, denn Erinnerungen gab es nicht. »Sagen Sie doch was, Mr. Sinclair. Sie und Ihre Freunde sehen so besorgt aus. Was ist hier tatsächlich vorgegangen? Warum bin ich so schrecklich müde gewesen, wie nie zuvor in meinem Leben? Das war doch kein Wetterumschwung.«
»Nein, das war es sicherlich nicht, Mrs. Dolby. Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß Sie und auch andere nicht unbedingt an einem normalen Ort leben, sondern in einer Stadt, die auf historisch-mythischen Boden errichtet wurde.«
Sie lächelte schmal. »Ja, davon weiß ich, Mr. Sinclair. Das nehmen wir auch alle hin. Selbst die vielen Besucher, die mehr hinter Glastonbury vermuten als wir. Nur bin ich bisher noch nicht damit in Berührung gekommen. Warum denn jetzt?«
»Weil sich etwas verändert hat.«
»Hat oder hatte?«
»Im Moment hatte. Die Normalität ist zurückgekehrt. Sonst würden wir hier nicht sitzen und so normal miteinander reden. Ich kann Sie auf eine gewisse Art und Weise beruhigen, Mrs. Dolby. Es hat nicht nur Sie erwischt, auch alle anderen Bewohner sind davon betroffen worden. Es ist etwas über Glastonbury gekommen, das alle in einen tiefen Schlaf versinken ließ.« Während ich gesprochen hatte, war Nadine auf leisen Sohlen aus dem Zimmer gegangen.
»Und was ist das gewesen, Mr. Sinclair?«
Ich hob die Schultern. »Es fällt mir schwer, es Ihnen zu erklären. Zu schwer.«
»So schlimm war es?«
»Auf der einen Seite schon.«
»Dann will ich nichts hören, bitte. Ich überlasse es den Besuchern, mit diesen Dingen fertig zu werden. Ich bin eben anders. Ich möchte meine Ruhe haben.«
Nadine kehrte zurück. Sie öffnete die Schlafzimmertür weiter, und wir hörten das leichte Quietschen. Sie betrat den Raum und blieb lächelnd stehen.
»Vorbei?« fragte Bill.
»Ja. Es sieht so aus. Es ist nichts mehr von Avalon zu sehen. Es hat sich wieder zurückgezogen. Ich weiß, daß es nicht zerstört ist, John, aber der Einfluß deines Kreuzes hat es wieder in seine Grenzen gewiesen. Ich glaube nicht, daß es wieder zu der alten Verbindung kommen wird. Zwischen Glastonbury und der Insel.«
»Avalon?« flüsterte Mrs. Dolby, die zugehört hatte. »Die Nebelinsel? Was reden Sie da?«
»Bitte, vergessen Sie es.«
»Das kann ich jetzt nicht mehr. Sie glauben nicht, wie oft man von der Insel spricht. Ihretwegen kommen viele Besucher hierher. Sie fahren die mystischen Routen. Es gibt genügend, die nach der Nebelinsel suchen, das sind die einen. Die zweite Gruppe sieht es anders. Sie kommt hierher, um Avalon in ihrem Herzen zu spüren und zu fühlen, weil sie so den inneren
Weitere Kostenlose Bücher