1066 - Avalons Riesen
riß den Mund weit auf. Ähnlich wie ein normaler Mensch, der am Fischstand steht und einen Matjes verschlingt.
Nur fiel bei ihm kein Fisch in den Schlund, sondern ein zappelndes Schaf.
Auf einmal war es weg.
Der Riese senkte seinen Kopf. Er schloß das Maul. Dann schluckte er wieder. Wir sahen sogar den Glanz in seinen Augen. Für mich war es ein widerliches Leuchten.
Was waren wir hilflos! Wütend, sauer, völlig frustriert, und wir bekamen auch mit, wie der Riese schluckte.
Zwischen seinen Fingern befand sich noch immer der Schäfer. Er lebte, denn er bewegte sich. Der Mann sah aus wie eine Puppe. Bill war nicht zu beruhigen.
Mit einer ruckartigen Bewegung drehte er uns den Kopf zu. »Ich muß es doch tun. Ich muß es versuchen. Wenn ich nicht treffe, dann…«
»Ja, dann!« brüllte ich ihn an. »Dann sucht sich die Blase ein anderes Ziel, und du weißt genau, daß sie auf Menschen keine Rücksicht nimmt. Sie holt sich alles, was ihr in den Weg kommt. Überleg doch mal, Bill, denk nach!«
»Scheiße!« brüllte er, drehte sich wieder um und sah – ebenso wie wir – daß der Riese etwas anderes tat.
Er schluckte den Schäfer nicht.
Zumindest behielt er ihn noch zwischen seinen Fingern, als er sich mit einer fast lässig anmutenden Bewegung umdrehte, uns den Rücken zuwandte, sich bückte und wegging. Er lief nicht auf Glastonbury zu, sein Weg führte ihn wieder in das Sumpfgelände hinein, aus dem er gekommen war.
Nur einer.
Wo steckten die anderen beiden?
Die Nacht war dunkel. Sie war mächtig, und sie schluckte auch die unheimliche Gestalt.
Bill ließ seine Waffe sinken. Er schüttelte den Kopf. Er kam näher.
»Ich glaube nicht, daß der Schäfer eine Chance hat. Verflucht – drei Riesen, das ist zuviel…«
Die Schafe befanden sich noch immer in Panik. Sie liefen kreuz und quer, auch nicht mehr auf ihre Weidenflächen, sondern hetzten durch die kleine Stadt.
Dort waren auch die Bewohner erwacht. Zumindest einige von ihnen. Dünne Stimmen erreichten unsere Ohren. Es war auch heller geworden, weil einige das Licht in ihren Wohnungen und Häusern eingeschaltet hatten. Auch Mrs. Dolby hatte es nicht mehr in ihrem Haus gehalten. Bleich wie eine gekalkte Wand stand sie auf der Türschwelle und schaute uns an. Die Hände hielt sie wie zum Gebet gefaltet, und sie hatte große Mühe, die Worte auszusprechen.
»Ich habe alles gesehen!« flüsterte sie. »Ich… ich … habe alles mitansehen können.«
Was sollten wir ihr sagen? Jedes tröstende Wort wäre fehl am Platz gewesen, denn es war ja nicht vorbei. Es würde weitergehen, und es gab drei Riesen.
»Es war Dan, der Schäfer, nicht wahr?«
Wir nickten.
Sie weinte plötzlich, drehte sich um und lief wieder zurück. Sie wußte Bescheid, andere Bewohner nicht. Sie waren bisher nur von den aufgeschreckten Schafen aus dem Schlaf gerissen worden, der große Horror stand ihnen noch bevor.
Kein Schatten zeichnete sich mehr ab. Der Riese war zunächst beruhigt. Aber ich dachte an seine beiden Brüder, wobei Bill diesen Gedankengang ebenfalls hatte.
Nur Nadine Berger nicht.
Sie stand da und starrte zum Tor auf dem Hügel hin. Dort bewegte sich das Licht noch immer zitternd innerhalb des Durchgangs.
Von der Seite her schaute ich sie an, und ich bekam mit, wie sie mehrmals vor sich hin nickte, um sich selbst etwas zu bestätigen. Sie wirkte wie weltvergessen und sprach ihre Gedanken und Vermutungen aus, womit sie uns überraschte.
»Es gibt eine Chance«, flüsterte sie. »Ich weiß es. Avalon will, daß ich sie nutze.«
»Was hast du denn vor?« fragte Bill.
»Ich muß hin.«
»Wohin?«
»Zum Tor.«
»Und dann?«
»Hilfe holen.«
»Hahaha!« Bill wollte sich ausschütten vor Lachen. »Wen willst du denn holen, verdammt?« Er schüttelte den Kopf und hielt ihr die Goldene Pistole vor das Gesicht. »Die einzige Hilfe und Waffe, die es gegen diese Kreaturen gibt, halte ich in der Hand.«
Nadine ließ sich nicht beirren. »Es tut mir leid, aber es gibt noch etwas anderes.«
»Dann rede doch!«
»Laß mich gehen!«
Der Reporter kriegte sich nicht ein. Er fuhr zu mir herum. »Verdammt, John, sag auch mal was!«
»Laß sie gehen.«
Mein Freund versteifte. Seine Augen weiteten sich, während Nadine sich ebenfalls gedreht hatte und mir zunickte. »John, ich habe die Botschaft erhalten. Es ist eine Chance, glaube es mir.«
»Dann nutze sie!«
»Danke!«
Bill sagte nichts mehr. Zufrieden war er auch nicht. Als Nadine sich in Bewegung setzte,
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