1066 - Avalons Riesen
zog sie auf.
Kaum hatte sie einen Schritt nach draußen gesetzt, da war ich neben ihr. Auch Bill Conolly eilte herbei.
Nadine erschauerte und flüsterte: »Ich weiß, daß sie hier sind. Sie sind in der Nähe. Sie lauern bereits. Ich kann sie nur nicht sehen, aber ich spüre ihren Einfluß. Sie bringen den Tod…«
Bill und ich stellten keine Fragen. Wir konzentrierten uns und lauschten hinein in die Stille der Nacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Riesen schleichen, nein, wenn sie gingen, hinterließen ihre Schritte auf dem Boden immer ein Echo.
Noch war nichts zu hören.
Mein Blick glitt zum Tor auf dem Hügel hin, denn auch Nadine schaute das Bauwerk an.
Beide sahen wir das gleiche.
Es hatte sich nicht verändert, aber dort, wo der Durchlaß war, bewegte sich etwas.
Licht? Zumindest ein grünliches und auch etwas sanftes, gelbliches Schimmern füllt den Raum zwischen den Wänden im Innern des Tores aus. Es glich einer geheimen Botschaft, die wir leider nicht verstanden.
Zumindest Nadine versuchte es mit einer Erklärung. Ihr Gesicht wirkte gespannt, aber auch leicht zufrieden. »Avalon nimmt es nicht hin. Das Land wehrt sich. Es will nicht, daß das Böse über die Menschen kommt. Es versucht zu reagieren und uns zu helfen.«
»Helfen?« wiederholte Bill. »Mädchen, wie stellst du dir das überhaupt vor?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, daß es den Frieden will und das Böse haßt. Dafür ist es auch bereit, alles einzusetzen und zu kämpfen. Ich spüre es selbst in mir. Es ist eine Botschaft für mich, aber es gibt noch zu viele fremde und negative Strömungen, die diese Botschaft stören.«
»Ist die Macht der Riesen zu stark?« fragte ich.
»Ja, das kann es sein.«
In diesem Augenblick hörten wir ein Geräusch. Nein, es war kein Donner, auch wenn es im ersten Moment so klang. Es war mehr ein Rumoren auf dem Erdboden.
Die Vibrationen erreichten uns. Wir spürten das leichte Zittern. Jemand hatte auf den Erdboden geschlagen.
Bewegung vor uns. Schnell, flüchtig. Die Schreie der flüchtenden Schafe. Sie hatten die Gefahr zuerst bemerkt, die immer mehr auf sie zukam. Uns stockte plötzlich der Atem, als wir den Schatten sahen, der sich weit vor uns in der Dunkelheit aufbaute. Er war im Hintergrund entstanden. Er kam langsam in die Höhe, und aus dem Schatten nahe des Sumpfgeländes wurde eine Gestalt.
Ein Riese…
Er hatte nichts mehr mit dem Aussehen der drei Fremden zu tun.
Er sah tatsächlich so aus wie man sich einen Riesen vorstellt. Immens groß. Ein Mensch, der den Namen nicht mehr verdiente. Ein Koloß, der die Dächer der Häuser überragte.
Kein Godzilla, kein King Kong, so groß nicht, aber für einen Menschen mächtig genug.
Neben mir zog Bill die Goldene Pistole hervor. »Ich hau den um!« flüsterte er. »Der wird es nicht schaffen, das schwöre ich euch…«
Der Riese mußte zuerst näherkommen, damit Bill sein Versprechen in die Tat umsetzen konnte.
Aber der Riese blieb stehen.
Dann bückte er sich.
Es wirkte sehr schwerfällig. Wie das Bewegen einer massigen Steinfigur.
Seine Arme hatten wir bisher noch nicht zu Gesicht bekommen.
Auch jetzt sahen wir sie nicht. Nur dann, als er sich wieder aufrichtete, konnten wir auf seine Hände schauen.
Der Riese hatte sich Nahrung besorgt. Mit der linken Hand zerquetschte er den Körper eines Schafes, in der rechten aber hielt er einen Menschen, der wie ein Fisch zwischen seinen Fingern zappelte. Wir kannten ihn sogar. Wir hatten mit ihm gesprochen. Es war der Schäfer Dan Frazer…
***
Alles, nur das nicht! Aber es war eine verdammte Tatsache, vor der wir die Augen nicht verschließen konnten. Wir konnten nichts tun, denn wir standen einfach zu weit weg. Für einen Pistolenschuß war die Entfernung zu groß, ich würde ihn nie treffen können. Erst recht nicht in das Auge, was möglicherweise die schwache Stelle war.
Bill stieß mich zur Seite und lief einige Schritte vor. Dann blieb er breitbeinig stehen. Die Goldene Pistole hielt er mit beiden Händen fest. Er riß die Arme dann hoch und zielte auf die mörderische Gestalt, doch es war unmöglich, sie zu treffen. Die Entfernung war zu groß. Zumindest hatte er noch nie auf eine so große Distanz mit der Waffe geschossen.
»Es bringt nichts, Bill!«
Mein Freund heulte vor Wut auf. Nadine und ich standen starr, als wir zuschauen mußten, wie der verdammte Riese seinen Hunger wieder einmal stillte.
Er nahm sich das Schaf vor. Dabei legte er den Kopf zurück und
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