107 - Tanz der Furie
paßten zu ihm. Er war hochgewachsen, etwa ein Meter achtzig, und trug einen buntgefärbten Mantel aus den haarähnlichen Federn des Kiwivogels. Te-Ivi-o-Atea wirkte majestätisch, wie er da vor den Eingeborenen der Osterinsel stand, einen Häuptlingsstab mit geschnitzten Symbolen in der Rechten.
Er betrachtete die Polynesier eine Weile schweigend, und sie fielen vor ihm auf die Gesichter; auch die beiden Medizinmänner oder Priester.
Der Dämon sprach nun, und ich verstand auch seine Worte.
„Bald ist der große Tag gekommen!" rief er. „Hebt heute sieben Schächte bei dem Vago-Moai aus und holt die sieben magischen Goldbarren aus der Flugmaschine, die ihr in die Bucht geschleppt habt! Bewacht sie gut, denn ihr haftet Vago mit euerem Leben dafür - ihr alle, Frauen und Kinder und sogar die Tiere im Dorf. Wenn etwas schiefgeht, wird Vago keine Gnade kennen."
Die Eingeborenen wagten es nicht, die Köpfe zu heben. Ich verstand, was sie murmelten.
„Ja, großer Vago, ja, mächtiger Te-Ivi-o-Atea. Wir hören und werden euch gehorchen."
„In der nächsten Nacht soll die große Zeremonie stattfinden, die ich selbst zelebrieren werde", fuhr der Südseedämon fort. „Ihr werdet eure Anweisungen von mir selbst bekommen und sie auf das genaueste befolgen."
„Ja, großer Tatane", antwortete der Chor.
Te-Ivi-o-Atea grinste, was ihn mit seinem Narbengesicht und seinen spitzgefeilten Zähnen scheußlich und noch dämonischer aussehen ließ. Er war sehr gefährlich, das wußte ich. Wenn er gewußt hätte, daß ich mich hier befand, hätte ich mich auf einen Kampf auf Leben und Tod gefaßt machen können.
„Kommt morgen um die gleiche Zeit wieder her, wenn alle Vorbereitungen getroffen sind!" sagte der Dämon.
Wieder ertönte das tiefe Summen und Brummen.
„Mein Diener Te-Ivi-o-Atea", sagte die grollende Stimme, „da ist noch etwas, was du wissen mußt. Mit dem Flugzeug, das ich mit der Kraft meiner Magie und meines Geistes lenkte, ist ein Mann auf die Insel gekommen. Ich wurde erst auf ihn aufmerksam, als er das Flugzeug verließ. Er ist ein Weißer, lang, dürr und rothaarig. Ob er magische Kräfte hat, weiß ich nicht. Aber vielleicht steht er im Dienst unseres Feindes Olivaro oder sogar des Hermes Trismegistos, der in der letzten Zeit immer stärker in das Geschehen auf der Welt eingreift.“
„Darum werde ich mich kümmern, mächtiger Vago", antwortete Te-Ivi-o-Atea ruhig. „Wenn es so ist, werde ich ihm selbst den Garaus machen."
Te-Ivi-o-Atea mußte die Fronten gewechselt haben. Er hatte Olivaro verraten und paktierte nun mit Vago.
Das Summen und Brummen verstummte. Te-Ivi-o-Atea breitete die Arme aus. Er wurde zu einer Rauchspirale, die sich in eine gefleckte, rasend schnell rotierende Schlange verwandelte. Sie stand auf dem Schwanz.
Angstvoll schauten die Eingeborenen zu ihr auf. Die Konturen der Schlange verblaßten, wurden durchsichtig, dann verschwand sie ganz.
Nach diesem eindrucksvollen Abgang Te-Ivi-o-Ateas erhoben sich die Polynesier. Zwanzig von ihnen blieben da, darunter ein Medizinmann. Sie sangen, tanzten und musizierten weiter hei dem Vago-Moai. Die anderen zogen zum Dorf. Sie würden Werkzeuge holen, um die Schächte auszuheben. Und einige würden zu dem Wasserflugzeug in der Bucht gehen und die magischen Goldbarren ins Dorf bringen. Bei der Beschwörung in der nächsten Nacht sollten sie an die unbekannte Macht weitergeleitet werden, und damit war Olivaro sicher verloren.
Ich hatte kein Interesse daran, diesem undurchsichtigen Dämon zu helfen, der für kurze Zeit ein Gastspiel als Fürst der Finsternis gegeben hatte. Olivaro hatte mich in meinem fünften Leben als Tomotada, der Schwarze Samurai, mißbraucht. Was damals alles geschehen war, konnte ich ihm nicht vergessen.
Die Eingeborenen zogen an mir vorbei. Es war eine ziemlich helle Nacht. Nur wenige von ihnen trugen Fackeln. Ich beschloß, zum Lager zurückzukehren. In dieser Nacht würde nichts mehr geschehen, bei dem ich dabei sein mußte. Die nächste würde die Entscheidung bringen.
Ich gelangte unbemerkt wieder ins Zelt zurück und legte mich schlafen. Am nächsten Morgen machten wir uns zu der Bucht auf, in der ich das Flugzeug zurückgelassen hatte. Die beiden Auslegerboote der Eingeborenen lagen noch am Felsenstrand, aber das Wasserflugzeug war verschwunden oder zumindest nicht zu sehen.
Ich wollte es genau wissen, zog meine Kleider aus und schwamm in die Bucht hinein.
An diesem Morgen war Ranana Askalon übrigens
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