107 - Tanz der Furie
waren entstanden. Aber niemand wußte wirklich etwas.
Abi Flindt lief beleidigt aus dem Frühstücksraum. Er war verstimmt, weil er glaubte, Richard Steiner würde ihm vorgezogen.
Unga redete nicht mehr viel. Coco sagte höflich, aber bestimmt, daß sie den Anweisungen des Dreimalgrößten Hermes folgen und die Burg noch in der nächsten Stunde verlassen würden.
Jeder wußte, daß Unga ein Diener und naher Vertrauter des Hermes Trismegistos war. Aber Genaueres erzählte der Cro Magnon nie. Ein wenig Ungewißheit und eine geheimnisvolle Aura konnten nicht schaden, fand auch Dorian Hunter. Ein Feind, den man nicht genau kannte, wurde immer mehr gefürchtet, als einer, dessen Stärken und Schwächen bekannt waren.
Dorian, Coco und Unga verabschiedeten sich kurz von den anderen, nachdem sie ihr Frühstück beendet hatten. Sie gingen auf ihre Zimmer, um zu packen. Viel nahmen sie nicht mit. Der Dämonenkiller schätzte es nicht, mit schwerem, hinderlichem Gepäck zu reisen. Die drei verließen das Castillo und marschierten los.
Dorian wollte zu dem Magnetfeld, bei dem er am Vortag herausgekommen war. Es war stark genug, um sie bis nach Jerusalem zu bringen. Es gab auch in der näheren Umgebung ein Magnetfeld, dessen Stärke ausgereicht hätte, aber Dorian wollte nicht, daß sie vielleicht von den Bewohnern von Castillo Basajaun beobachtet wurden.
Die Sonne brannte heiß auf die Felsen herab. Es gab hier fast keine Vegetation, und Dorian fragte sich wieder einmal, warum man das Castillo Basajaun - Herr des Waldes - genannt hatte.
Die drei Marschierer schwitzten. Coco trug eine Reisetasche, Dorian und Unga hatten kleine Handkoffer. Sie enthielten neben den notwendigen persönlichen Utensilien wie Wäsche, Rasier- und Zahnputzzeug Dämonenbanner, Weihwasser und magische Kreide.
Dorian hatte eine kreisrunde Nickelbrille auf der Nase sitzen, ein Stück wie aus einem Museum. Richard Steiner besaß ein paar solcher Brillen, und eine hatte sich in Cocos Gepäck befunden.
Auf dem Weg debattierten Dorian, Coco und Unga darüber, ob sie nun nach Jerusalem oder nach Jericho sollten. Dorian wollte nach Jerusalem. Ranana Askalon hatte ihm auf der Osterinsel erzählt, daß ihre in Jerusalem lebende Zwillingsschwester das Ritual vollziehen sollte. Daran hielt sich Dorian. Olivaro traute er nicht.
Coco hätte sich lieber gleich nach Jericho begeben, wo Olivaros Fanal erschienen war. Unga enthielt sich der Stimme. Sie einigten sich schließlich darauf, es zuerst in Jerusalem zu versuchen.
Als sie das Magnetfeld erreicht hatten, steckte Dorian es ab. Sie stellten sich alle drei in die Mitte des Magnetfeldes und Coco und Unga berührten Dorian Hunter.
Dorian warf einen letzten Blick auf den Valira del Norte, der in einer Schlucht tief unterhalb des felsigen Weges dahinrauschte. Dann schloß er die Augen und konzentrierte sich auf Ranana Askalons Zwillingsschwester in Jerusalem.
Die magische Reise führte nicht nur zu Orten, an die man sich wünschte, sondern auch zu Personen. Man mußte nur eine ausreichende Vorstellung von ihnen haben und sich gut konzentrieren.
Die Umgebung verschwand, und die magische Reise begann.
Dorian, Coco und Unga fanden sich im Keller eines Hochhauses wieder. Eine Frau, die gerade ein Fahrrad in den großen Kellerraum mit den vielen abgeteilten Boxen schob, schrie gellend auf. Dorian reagierte sofort. Er nahm den Kommandostab aus der Tasche und bewegte das verdickte Ende vor den Augen der entsetzten jungen Frau. Sie war dunkelhaarig, hatte einen Damenbart auf der Oberlippe und konnte gewiß nicht als eine Schönheit bezeichnet werden. Besonders ihre Beine waren plump und unschön.
Im Hypnotisieren war Dorian Meister. Die Frau erstarrte. Unga fing das Fahrrad auf, bevor es umfiel, und stellte es an die Wand.
„Sei ganz ruhig!" sagte Dorian. „Wenn wir weggegangen sind, wirst du vergessen, daß du uns je begegnet bist. Du wirst hier zehn Minuten warten. Hast du das verstanden?"
Dorian sprach englisch. Er hoffte, daß die Frau es verstand. Sonst hätte er durch den Kommandostab sprechen müssen.
Sie nickte und antwortete in der gleichen Sprache: „Ja, Herr."
„Kennst du ein Mädchen namens Judith Askalon?" fragte Dorian.
„Ja"
„Wo können wir sie finden?"
„Sie wohnt hier im Haus, im dritten oder vierten Stock."
„Das genügt."
Dorian nahm seinen kleinen Handkoffer und bedeutete Coco und Unga, ihm zu folgen. Sie verließen den Keller und fuhren mit einem der beiden Lifts in der
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