107 - Tanz der Furie
man hörte aus der Wohnung nebenan gedämpfte Radiomusik und die Ansagen eines Sprechers.
„Ja, das stimmt", sagte der Dämonenkiller dann. „Deine Schwester ist gestorben. Ich konnte es nicht verhindern."
Judiths schöne dunkle Augen füllten sich mit Tränen.
„Wie ist sie gestorben?" wollte sie wissen.
„Ein Dämon hat sie getötet", sagte Dorian und beobachtete sie scharf. „Er hieß Te-Ivi-o-Atea und handelte im Auftrag Vagos."
„Vago", flüsterte das Mädchen. „Vago."
Ihre Augen wurden ausdruckslos. Ihre vom Schmerz verzerrten Gesichtszüge glätteten sich. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann schluchzte Judith wieder wild auf.
„Ranana, meine Zwillingsschwester - sie war wie ein Teil von mir. Unsere Verbindung war so eng, daß wir manchmal sogar in telepathischer Verbindung standen und unsere Gedanken gegenseitig lesen konnten. Oh, es ist furchtbar, furchtbar, daß sie sterben mußte! So jung, schön und lebenslustig wie sie war."
Judith warf sich auf das Lager aus Lederpolstern, verbarg das Gesicht in den Händen und weinte. Ihre Schultern zuckten. Der Saum ihres roten, weißgepunkteten Kleides war hochgerutscht.
Dorian behielt Judith scharf im Auge. Der unbekannten dämonischen Macht war nicht zu trauen. Es war bezeichnend, daß Judith weder nach Te-Ivi-o-Atea noch nach Vago gefragt hatte. Etwas hinderte sie daran. Sie stand unter einem starken magischen Bann und merkte es nicht einmal.
Dorian legte eine Hand auf die Schulter des schluchzenden Mädchens.
„Judith", sagte er, „du mußt uns helfen, Vago, der mit schuld war am Tod deiner Schwester, muß vernichtet werden, bevor er noch mehr Unheil anrichtet. Ranana sagte mir, daß du hier in Jerusalem eine Zeremonie vollführen sollst. Diese Zeremonie hat eine schlimme Bedeutung, die wir ergründen möchten. Was kannst du uns darüber sagen?"
Judith setzte sich auf. Ihr Gesicht war bleich und von Tränen überströmt.
„Geht!" sagte sie. „Ich weiß nichts und kann nichts sagen. Laßt mich allein!"
Dorian nickte Coco zu. Jetzt half nur noch eines: Judith mußte hypnotisiert werden.
Coco schaute dem schwarzhaarigen Mädchen in die Augen. Die Hexe Coco besaß verschiedene magische Fähigkeiten. Unter anderem war sie eine Meisterin der Hypnose.
Diesmal mußte Coco all ihre Kräfte aufbieten. Der Schweiß brach ihr aus. Aber nach einer knappen Minute saß Judith Askalon locker, entspannt und mit unbewegtem Gesicht da. Ihre Augen waren so starr und ausdruckslos wie zuvor.
„Antworte!" sagte Coco. „Was weißt du über Vago?"
Judith schwieg. Coco fragte noch zweimal, aber sie erhielt keine Antwort.
.„So kommen wir nicht weiter", sagte Dorian. „In ihrem Gehirn ist zweifellos eine Sperre, die sie am Reden hindert. Ich will etwas anderes versuchen."
Er berührte das Mädchen, mit dem Kommandostab und stellte die gleiche Frage. Diesmal zuckte es in Judiths Gesicht, aber kein Wort kam über ihre Lippen.
„Frage sie nach der Beschwörung, an der Judith teilnehmen sollte. Diesmal antwortete das Mädchen.
„Die Beschwörung findet heute nacht auf dem Friedhof der Namenlosen bei den Ruinen von Jericho statt", sagte sie mit monotoner Stimme. „Ich werde hingehen, denn mein Herr hat es mir befohlen." „Was sollst du tun?"
„Die Seele meiner Schwester irrt ruhelos umher. Ich muß sie in ein Grab bannen, damit sie ihren Frieden findet."
Das stimmt gewiß nicht. Dem Mädchen war etwas Falsches einsuggeriert worden. „Wer ist dein Herr? Ist es Vago?"
Judith schwieg eine Weile, dann sagte sie widerwillig: „Yezdigerd. Der Schwarze Yezdigerd."
„Was ist mit ihm?" fragte Dorian sofort.
Aber Judith antwortete nicht mehr. Die Hypnose wirkte nur teilweise.
„Wann soll die Beschwörung stattfinden?"
„Wenn ich komme, beginnt sie. Ich werde um acht Uhr weggehen."
Dorian sagte etwas zu Coco, und sie erteilte Judith den hypnotischen Befehl.
„Du wirst uns mitnehmen, Judith! Du wirst den Befehlen gehorchen, die du von mir, von diese Mann oder von diesem da erhältst!" Coco deutete erst auf Dorian, dann auf Unga. „Wenn wir jetzt gegangen sind, wirst du vergessen, was sich hier abgespielt hat. Um acht Uhr kommen wir wieder." „Hast du das verstanden?" fragte Dorian. „Steh auf und setze dich wieder hin!"
„Ja, ich habe verstanden", sagte Judith und gehorchte Dorians Befehl.
Die drei hielten sich nicht länger auf. Sie nahmen ihr Gepäck und verließen die Zwei-ZimmerWohnung.
Mit dem Lift fuhren sie nach unten und gingen
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