107 - Turm der Menschenmonster
aaahhh!
neeeiiin! meine Lungen ... meine ...“
Wie vom Blitz gefällt, fiel Susan Malitt in
ihre Kissen zurück.
●
Steif und leblos wie ein Brett lag sie da. Es
wurde alles unternommen, um ihr zu helfen. Sie atmete nicht, sie bewegte sich
nicht mehr. Angsterfüllt war ihr Blick, den sie zur Decke richtete. Die Iris
erweiterte sich nicht. Morna bekam die aufregenden Minuten mit.
Susan Malitt wurde umgehend in den
Operationssaal geschafft und an eine Infusion gehängt. Aber alle Maßnahmen
erwiesen sich als wirkungslos.
Man pumpte sie voll mit Sauerstoff und tat
all das, was man mit einem Patienten in ihrem Zustand normalerweise tun mußte.
Aber hier war es sinnlos, wo es keine Lungen mehr gab, die den Sauerstoff
aufnehmen konnten.
Doch Susan Malitt war nicht tot! Ihr Zustand
widersprach allen Naturgesetzen. Sie hatte kein Herz mehr, und wie die
Untersuchungsergebnisse es an den Tag brachten - es erfolgte kein
Sauerstoffaustausch in diesem Körper.
Etwas Unbegreifliches, etwas Furchtbares ging
mit ihr und in ihr vor, und niemand konnte ihr helfen.
Mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen lag sie
auf dem Bett. Sie wollte sich mitteilen, aber sie konnte nicht.
Die Röntgengeräte durchleuchteten Susans
Brust. Die Lungen fehlten. Das Hirnstromgerät zeichnete rhythmische Linien auf
das durchlaufende Papier. Das Hirn arbeitete.
Dr. Shillings setzte eine Stunde lang alle
Geräte ein und sämtliche Medikamente, von denen er sich eine Wirkung und
Veränderung des Zustandes von Susan Malitt versprach. Es half alles nichts. Der
Arzt war verzweifelt und ratlos. Das sah man ihm an.
Er ließ sich einen Whisky bringen und bot
auch Morna einen an. „Nicht, daß Sie verkehrt über mich denken“, entschuldigte
er sich mit spröder Stimme. „Aber das geht mir an die Nieren. Ich habe keine
Erklärung für all das.“
Er leerte sein Glas.
„Sie sprach von jemand, der anwesend sei“,
überlegte die Schwedin. „Damit meinte sie ganz offensichtlich nicht uns. Sie
redete von einer Hexe ... wen mag sie gesehen haben?“
Shillings zuckte die
Achseln. Seine graublauen Augen ruhten auf der Patientin, die immer noch mit
Zeichen des Erschreckens um sich blickte und deren Lippen sich bewegten, die
doch nichts mehr sagen konnten. Sie schien von einem Augenblick zum anderen
ihre gesamte Kraft verloren zu haben. Und es war nicht ausgeschlossen, daß es
auch mit ihrem Verstand nicht mehr ganz stimmte.
„Sie ist vollkommen von uns isoliert“,
murmelte Henry Shillings nachdenklich. „Sie kann uns
sehen und kann denken, aber sie kann sich nicht mitteilen. Sie atmet nicht, in
ihrer Brust schlägt kein Herz. Diese Frau ist klinisch tot - und doch lebt
sie!“
Auch Mornas Hirn war von zahllosen Gedanken
erfüllt. Nur beschäftigte sie das Ereignis von einer anderen Warte aus als Dr.
Shillings.
Die Schwedin bat um die Erlaubnis, für ein
paar Minuten den Raum verlassen und das Krankenzimmer Susan Malitts allein
betreten zu dürfen.
Dort sah Morna sich einige Minuten später
konzentriert um. Sie hatte nicht das Gefühl, daß dieses Krankenzimmer sich von
den anderen in irgendeiner Form unterschied. Sie hatte auch nicht das Gefühl,
daß hier jemand anwesend war, der sie beobachtete. Doch der Gedanke daran, daß
vielleicht jemand unsichtbar zugegen war, den die überempfindlichen Sinne Susan
Malitts registriert hatten, erfüllte sie mit Unbehagen.
Morna öffnete das Fenster, aktivierte den in
der kleinen Goldkugel untergebrachten Miniatursender und nahm Kontakt zur
Zentrale in New York auf. Sie bat um umgehende Verbindung zu X-RAY-1. Was sie
mitzuteilen hatte, war äußerst wichtig. X-RAY-1 meldete sich umgehend, und
Morna erstattete Bericht in allen Einzelheiten. Dann kam ihr Vorschlag.
„Welche Kräfte hier wirken, vermögen wir
nicht mal zu ahnen, und wir wissen nicht, ob sie sich nur auf Susan Malitt
auswirken oder möglicherweise erstarken und damit weitere unschuldige Menschen
in ihren Bann ziehen. Das Letztere scheint mir wahrscheinlich, berücksichtigt
man den Fall O’Maine. Susan Malitt nahm offenbar während ihres letzten Anfalls
eine Person wahr, die wir nicht sehen konnten. Ich würde dafür plädieren, ein
Medium zu Rate zu ziehen, das diesen Raum so schnell wie möglich untersucht.
Vielleicht kommen wir dadurch weiter. Ein Medium könnte uns weitere Hinweise
geben, gerade was die Identität jenes Wesens anbelangt, das unsichtbar mitten
im Raum stand und das Susan Malitt über alle Maßen fürchtete. Es gibt
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