107 - Turm der Menschenmonster
alten Geschichten sind nicht einfach von der Hand zu weisen.
Etwas Wahres ist immer mit der Legende vermischt. Was
einst war, hat auch noch heute seine Berechtigung, auch wenn es nicht mehr in
eine Welt paßt... zu passen scheint“, verbesserte er sich selbst, „in der es
Jumbo-Jets, Mondraketen, Farbfernsehen und neonlichtüberflutete Städte gibt.
Das Grauen einer fernen Zeit hockt in den finsteren Winkeln ebenso wie in einem
modernen Jumbo-Jet, wie in einer mit allen Raffinessen ausgestatteten Penthouse-Wohnung
zwanzig Etagen über der Erde. Hier in Schottland allein gibt es einige tausend
Orte, die Menschen meiden. Brown Cottage ist einer von ihnen!“
Der Mann beugte sich nach vorn und fuhr im
Schrittempo an die Weggabelung.
„Sehen Sie selbst, Miß und ..
.“ Mitten im Sprechen hielt er inne.
Hinter wallenden Nebelschleiern zeichneten
sich schemenhaft-gespenstisch die Umrisse eines geduckt zwischen Lohen alten
Bäumen stehenden Hauses ab. Ein heller Lichthof spielte um eine schmiedeeiserne
Lampe, die an einer Kette über dem Eingang hing und leise quietschend im Wind
schaukelte.
Links neben dem Eingang stand ein dunkelroter
Triumph Vitesse, dessen Lack spiegelte und auf dessen Karosserie das Licht der
Lampe reflektierte.
„Brown Cottage!“ stöhnte der rothaarige
Taxifahrer, und seine Stimme klang, als käme sie aus dem Grab.
●
„Höllenwerk! Dämonische Halluzination!“
preßte er hervor. „Diese Hütte kann nicht dort stehen.“
Er gab Gas, etwas zu heftig. Die Räder
drehten im Schlamm durch.
Der Wagen rutschte zur Seite weg.
„Verdammt!“
Er versuchte es auf die sanftere Tour, aber
die Räder rutschten im Schlamm weg und faßten nicht mehr. „So ein Mist! Auch
das noch!“ Schweiß perlte auf der Stirn des Chauffeurs.
„Können Sie Autofahren?“
„Ja.“
Er winkte ab und klopfte sich gegen die
Stirn. „Jetzt bin ich schon ganz konfus“, sagte er rauh. „Ob Sie's können oder
nicht, ist auch egal. Aus eigener Kraft komme ich nicht mehr hier ’raus. Setzen
Sie sich hinter das Steuer und tippen Sie das Gaspedal ganz leicht an! Der
Rückwärtsgang ist eingelegt. Ich geh“ nach draußen und schiebe. Vielleicht klappt's.
Es muß klappen!“ Er „warf einen scheuen Blick hinüber zu dem nebelumwallten
Cottage und erschauerte. - Morna sah, wie sich dem Mann die Haare sträubten.
„Etwa stimmt an Ihrer Geschichte nicht“, ließ
sie verlauten.
„Alles stimmt, wie Sie selbst sehen. Das da
vorn - ist nicht die Wirklichkeit. Ein Trugbild!“
„Dann lassen Sie uns hingehen und es von der
Nähe betrachten. Dann erst werden wir's genau wissen.“
Er lachte kehlig. „Mich kriegen keine zehn
Pferde da hinüber. Da müßte ich ja geisteskrank sein, Miß! Ich war schon
verrückt genug, Ihnen überhaupt den Vorschlag zu machen, Sie bis hierher an die
Weggabelung zu bringen. Ich hätte vorhin meinem Kopf folgen und abfahren
sollen. Nun haben wir den Salat.“
Er sprang nach außen und gestikulierte wild
mit den Händen, um Morna anzudeuten, was Sie machen sollte.
E. bückte sich, sammelte dicke Zweige und
Äste und fand sogar einige Scheiben Baumrinde, die er unter das kritische Rad
warf, das besonders tief im Schlamm steckte. Dann stemmte er sich mit seiner
ganzen Körperkraft gegen die Motorhaube. Morna gab vorsichtig Gas. Nach
zweimaligem Versuch geschah das, was sie selbst nicht für möglich gehalten
hätte. Das Fahrzeug kam ins Rollen. In seiner Angst aktivierte der Schotte
beinahe übermenschliche Kräfte. Er war nur von einem Gedanken besessen: so
schnell wie möglich hier wegzukommen.
Die vier Räder kamen auf verhältnismäßig
festen Boden, und der Fahrer eilte neben der Fahrertür her, hielt sich aber
draußen an der Klinke fest, als befürchte er, Morna würde vielleicht ohne ihn
losfahren.
Die Schwedin hielt vorsichtig an.
„Geschafft“, freute sie sich mit ihm und sprang aus dem Wagen.
Er starrte sie an wie einen Geist. „Warum
bleiben Sie nicht drin sitzen?“ „Weil ich hier eine Verabredung habe. Ich sagte
es Ihnen schon.“
„Entweder Sie sind verrückt oder verwegen -
oder beides.“ Er nahm den Platz hinter dem Steuer ein. „Sie werden die Nacht
nicht überleben. Dort in dem Haus geht es um.“
„Vorhin sagten Sie noch, es gäbe überhaupt
kein Cottage! Was soll ich nun glauben?“
„Glauben Sie, was Sie wollen, Miß! Sie
bleiben also wirklich hier?“
„Ja. Um meinen Bekannten zu sprechen. Wie Sie
selbst gesehen haben, bin ich nicht die
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