1070 - Gefangene der Materie
fast ein in sich geschlossenes System, mit völlig eigenen Bedingungen und Funktionen.
Das rührte nicht allein von seinem unnatürlich hohen Alter her, sondern von jenem Zustand, den die Terraner als „konserviert" zu bezeichnen pflegten.
Verantwortlich für diese Konservierung war natürlich der Porleyter.
Er hatte sie vorgenommen, um in dieser besonderen Form überleben zu können.
Überstehen wäre ein besseres Wort gewesen, dachte Sagus-Rhet, denn den Zustand des porleytischen Bewußtseins konnte man kaum noch als lebendig bezeichnen. Es dämmerte in einer Art geschlossenen Kreislauf dahin, einzig und allein von einem Gefühl vollkommener Verzweiflung über sein Schicksal beherrscht.
Ja, Kerma-Jo! dachte Sagus-Rhet. Daß es so sein würde, haben wir nicht gewußt.
Sagus-Rhet operierte mit äußerster Behutsamkeit, da ihm fraglos etliche Gefahren drohten. Das machte die Lösung der gestellten Aufgabe nicht wahrscheinlicher, denn es galt vor allem, den Porleyter aus seiner Passivität zu wecken und ihn davon zu überzeugen, daß ein Wechsel in einen Aktionskörper möglich war.
Hier hätte eigentlich ein wesentlich erfahrenerer Materiesuggestor als Sagus-Rhet ans Werk gehört.
Das Bewußtsein Sagus-Rhets dümpelte an den Schwingungen winzigster Materieeinheiten entlang; es machte dieses einsame Wogen mit, um es noch besser verstehen und beeinflussen zu können.
Der Porleyter schlief zwar nicht, aber er war auch nicht wach.
Für seine Art der Existenzform reicht ein Minimum an mentalem Aufwand.
Da es nun einmal keinen erfahreneren Materiesuggestor gibt, dachte der Darghete ironisch, kann ich mich auch ebenso gut gleich ans Werk machen.
Er esperte kurz nach seinem Körper in dem Nuguun-Keel, um sicher zu sein, daß er noch für ihn erreichbar war.
Dann machte er sich daran, das einzige aufzuweichen, was für den Porleyter noch eine existentielle Bedeutung besaß: Die Konservierung des Kristalls.
Sagus-Rhet war wild entschlossen, sie völlig zu vernichten. Das Ergebnis würde sein (vorausgesetzt, er hatte Erfolg), daß der Kristall in kürzester Zeit in jenen Zustand verfallen würde, in dem er sich bei natürlichem Ablauf der Gegebenheiten seit Jahrtausenden hätte befinden müssen - den der völligen Auflösung.
Dem Porleyter blieben dabei drei Möglichkeiten: Er gab auf und starb; sein Bewußtsein löste sich auf.
Sein Bewußtsein ging irgendwo im ndimensionalen Bereich verloren.
Er glaubte an seine Rettung und gelangte in den Aktionskörper.
Es gab sicher noch weitere Möglichkeiten, aber diese waren im Grunde nur Varianten der drei hauptsächlichen, und Sagus-Rhet als unverbesserlicher Optimist glaubte sowieso, daß nur die dritte Möglichkeit in Betracht kam.
Die Grundbaustoffe der Atome waren, wenn man von Antimaterie, schwarzen Löchern und ähnlich exotischen Dingen einmal absah, überall gleich. Deshalb bereitete es Sagus-Rhet auch keine Schwierigkeiten, die Teilchen des Kristalls richtig einzuordnen und zu beeinflussen. Allerdings wußte er nie, inwieweit Teilchen mit Bewußtseinsteilen des Porleyters befrachtet waren. Das machte die Sache zu einem Glücksspiel. Sagus-Rhet vertraute jedoch seiner Eingebung. Er suchte und fand die Teilchen, die den Konservierungseffekt stabilisierten. Sie traten in den Bereichen der äußeren Hülle des Kristalls wesentlich häufiger auf, manchmal so zahlreich, daß der triviale Begriff von einer „Haut" in diesem Zusammenhang angebracht war.
Während der Darghete die Teilchen von ihrer konservierenden Komponente befreite, wartete er gespannt darauf, wie der Porleyter reagieren würde.
Die erste Reaktion war eine instinktive und entsprach völlig den Erwartungen von Sagus-Rhet. Der Porleyter versuchte, die verlorenen Konservierungsteilchen zu ersetzen.
Er kam jedoch nicht einmal halb so schnell voran wie Sagus-Rhet mit seinem „Zerstörungswerk".
Befriedigt registrierte Sagus-Rhet, daß er mit den Teilchen wesentlich besser und schneller operieren konnte als der Porleyter. Davon war er vorher nicht überzeugt gewesen.
Besonnen, aber mit unverminderter Geschwindigkeit arbeitete Sagus-Rhet weiter. Es war beruhigend zu wissen, daß Kerma-Jo ihn dabei beobachtete. Kerma-Jo konnte zwar nicht direkt eingreifen, aber seine Nähe allein half Sagus-Rhet.
Der Porleyter schien wahrzunehmen, daß er versagte.
Das war der erste entscheidende Augenblick.
Nun mußte das Bewußtsein erwachen!
Sagus-Rhet wartete gespannt, ohne dabei seine Arbeit zu
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