1070 - Gefangene der Materie
Bewußtsein aktiv.
Sagus-Rhet bemerkte es an einem mentalen Wirbel im unteren Teilchenbereich.
Er schreckte hoch.
Der Porleyter hatte begonnen zu kämpfen. Diesmal jedoch war es keine instinktive Regung, sondern eine gezielte Anstrengung.
In seiner Erleichterung hätte Sagus-Rhet fast vergessen, was nun zu tun war.
Er konzentrierte sich auf den Aktionskörper, den Kerma-Jo und er als Ziel für das porleytische Bewußtsein ausgewählt hatten. Es war Kerma-Jos Aufgabe, diesen Körper vorzubereiten und empfangsbereit zu machen. Dazu mußten die atomaren Strukturen des androiden Körpers in einen gewissen Spannungszustand versetzt werden. Das schien kompliziert zu sein, aber Kerma-Jo hatte die mit Abstand leichteste Arbeit der beiden Dargheten zu verrichten.
Sagus-Rhet mußte ein altes und verzweifeltes Bewußtsein über eine Entfernung hinweg tragen, die nicht sehr groß zu sein schien, die sich aber als unüberwindbar erweisen konnte.
Der Materiesuggestor tastete sich an den Porleyter heran. Er mußte aufpassen, daß sein Schutzbefohlener nicht völlig der Panik überfiel, denn er brauchte dessen Mithilfe.
Sagus-Rhet nahm das Ziel in sein mentales Visier, dann konzentrierte er all seine ungewöhnlichen Kräfte auf das porleytische Bewußtsein. Er war kein unbescheidenes Wesen, aber er dachte nicht ohne Stolz daran, daß er sich den Titel eines Materiesuggestors auch vor den Augen der Kritischsten seines Volkes verdient haben würde, wenn es ihm gelang, dieses Problem zu meistern.
Diese Überlegungen verliehen ihm Kraft. Es war, als stünden nicht nur Kerma-Jo, sondern alle paranormal begabten Dargheten hinter ihm. Sagus-Rhet fühlte sich regelrecht beflügelt.
Noch reagierte der Porleyter schwerfällig und ungeschickt. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Hätte die Möglichkeit einer echten Kommunikation bestanden, hätte Sagus-Rhet ihm geraten, sich zu entspannen.
Eine neue Sorge keimte in Sagus-Rhet auf. Würde der Porleyter, nachdem er offenbar viele Jahrhunderttausende in diesem sterbenden Kristall zugebracht hatte, überhaupt eine Chance haben, sich in einem Aktionskörper zurechtzufinden? Mußte dieser ihm nicht wie eine völlig fremde Umgebung oder sogar wie ein neues, noch schlimmeres Gefängnis vorkommen?
Das waren Fragen, die Sagus-Rhet jetzt nicht beantworten konnte.
Es blieb ihm nicht einmal die Zeit, sich theoretisch damit auseinander zusetzen, denn der Zerfall des Kristalls beschleunigte sich. Sagus-Rhet spürte, daß er sich in den Resten nicht länger würde halten können.
So gut es ging, versuchte er, den Porleyter zu stützen.
Als er den Kristall verließ, zog er den anderen mit aller Gewalt mit, aber er wußte nicht, ob er ihn über diese Kluft, die unermeßlich zu sein schien, tragen und in den Aktionskörper pressen konnte.
Denn irgendwo auf dem Weg zum Ziel mußte Sagus-Rhet den Porleyter verlassen und in seinen eigenen Körper zurückkehren.
Die Auflösungserscheinungen des Kristalls waren jetzt so intensiv, daß sie Sagus-Rhet schmerzten.
Er gab sich einen Ruck und verließ diese Stätte des Zerfalls.
9.
Der Kristall bröckelte auseinander. Als hätte er die innere Kraft des Zusammenhalts verloren, fielen ganze Stücke aus ihm heraus und pulverisierten am Boden.
Die drei Männer starrten gebannt auf diese unheimliche Szene.
Rhodan hielt unwillkürlich den Atem an. Die nächsten Sekunden würden darüber entscheiden, ob ihr phantastischer Plan gelang oder nicht.
Kerma-Jo bemerkte nüchtern: „Sagus-Rhet kommt jetzt heraus!"
„Allein?" fragte Waringer mit krächzender Stimme.
Der Darghete antwortete nicht; offenbar war er ganz in die Beobachtung von etwas versunken, was den Augen der drei Terraner verborgen blieb.
In diesem Augenblick verlor der Kristall völlig seine Stabilität und rutschte in sich zusammen. Rhodan mußte unwillkürlich an einen Aschehaufen denken, als er den grauen Staubhügel vor sich liegen sah.
Darin kann nichts und niemand mehr sein! schoß es ihm durch den Kopf.
„Er ist zurück", sagte Kerma-Jo.
Rhodan drehte sich langsam herum und wandte sich Sagus-Rhet zu. Der Nuguun-Keel des Dargheten lag da wie eine große bleierne Hülle. Nichts an ihr regte sich.
Rhodan mußte sich auf die Aussage des zweiten Dargheten verlassen.
„Kann er reden?" erkundigte sich Salik.
„Er ist erschöpft, aber er wird sich schnell erholen!"
„Und der Porleyter?"
Kerma-Jo gab ein Geräusch von sich, das sich fast wie ein Seufzen
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