1070 - Marens kleiner Horror-Laden
Menschenleben. Sie war eine herrlich Verrückte und hatte zu ihrem Hobby gemacht, was mit dem Begriffen Mystik, Rätsel und Horror umschrieben werden konnte.
Darin war sie firm, und ihre Bibliothek unter dem Dach des Hauses war ein Querschnitt dessen, womit sie sich beschäftigte. Und sie hatte vor allen Dingen ihren Freunden schon so manchen Tip gegeben, besonders dem Geisterjäger John Sinclair.
Sarah Goldwyn hatte sich auf den Wetterbericht verlassen. Bis zum Mittag sollte es nicht regnen. Wie dann der Rest des Tages aussehen würde, war unbestimmt. Wenn es stimmte, konnte Sarah die Zeit für einen Bummel nutzen. Sie ging gern durch die entsprechenden Läden und besuchte des öfteren auch Flohmärkte. So manch altes Schätzchen hatte sie schon erwerben können.
Hin und wieder unterhielt sie sich mit dem Fahrer, der ein großer Fußballfan war und natürlich mit den Spielen der englischen Nationalmannschaft um jeden Sieg oder um jede Niederlage zitterte.
»Ich bin auch davon überzeugt, daß wir Weltmeister werden.«
»Und gegen wen im Endspiel?«
Er lachte. »Natürlich gegen die deutsche Mannschaft. Da steht noch eine Revanche offen von der letzten Europameisterschaft.«
»Wenn Sie sich da mal nicht irren.«
»Wetten?«
»Lieber nicht.«
Die Unterhaltung zwischen den beiden schlief wieder ein, denn auch der Verkehr war dichter geworden. Die Umgebung der Portobello Road war so etwas wie ein Mekka für Touristen. Sogar am Morgen waren sie schon unterwegs, wie Sarah erkennen konnte. Hinzu kamen die üblichen Staus, aber darum kümmerte sich die Horror-Oma nicht, denn sie hatte Zeit genug.
Sie fuhren langsam. Sarah schaute aus dem Fenster. Sie sah Menschen, Autos, Geschäfte, immer abwechselnd. London, wie es lebte, und das mochte sie so an dieser Stadt.
Die Strecke war ziemlich weit, und es tat ihr gut, sich mal wieder fahren zu lassen. Sie kaute an einem Pfefferminzbonbon und fühlte sich wirklich top in Form.
Auch hatte sie das Gefühl, an diesem Tag noch etwas zu erleben. Was es genau war, das wußte sie nicht zu sagen, aber es saß einfach in ihr.
Es würde etwas passieren. Das spürte sie, denn ihr Inneres vibrierte leicht.
Sarah nahm sich vor, jetzt aufmerksamer zu sein. Aber sie hatte Pech, denn außerhalb des Wagens veränderte sich nichts. Alles blieb wie es war. Wunderbar eingepackt in das Leben dieser Metropole, in der der Mensch alles fand.
Zudem war London wieder in geworden. Von hier aus gingen die Trends und Ströme hinein in die ganze Welt. Was hier von jungen Leuten kreiert und trendy gemacht wurde, überschwemmte später als Kultur und Subkultur die ganze Welt.
»So, Mrs. Goldwyn, gleich sind wir da. Haben Sie noch besondere Wünsche an mich?«
»Nein, Eric.«
»Ich könnte Sie zu einer bestimmten Uhrzeit wieder abholen.«
Die Horror-Oma lachte. »Danke, das glaube ich Ihnen gern. Aber ich möchte zeitlich ungebunden sein. Ich werde dann mit einem Ihrer Kollegen zurückfahren.«
»Gut, wie Sie wollen, Mrs. Goldwyn.«
Sie brauchte nur eine bestimmte Straße hinabzufahren, um nahe des Marktes zu halten. Der Fahrer konzentrierte sich auf seinen Job, und Sarah ließ den Gehsteig nicht aus den Augen. Ihn konnte sie am besten unter Kontrolle halten.
Da passierte es.
Sie hatte die Frau nicht bewußt gesehen, weil sie zwischen den anderen, zahlreich vertretenen Fußgängern ziemlich unterging, aber sie fiel auf, und das auf eine schlimme Art und Weise.
Über die Kante des Gehsteigs rutschte sie plötzlich ab. Sofort verlor sie den Halt, fiel auf die Straße, hinein in den Autoverkehr und damit genau vor Erics Wagen.
Lady Sarah war zu entsetzt, um rufen zu können. Plötzlich war alles anders geworden. Sie kam sich herausgerissen aus dem normalen Leben vor, sie wartete darauf, den Aufprall oder Schlag zu hören, der den Tod der Person einleiten würde.
Aber Eric reagierte wunderbar.
Er bremste.
Es war blitzschnell geschehen, und ebenso rasch hatte er reagiert. Die Bremsen des Fahrzeugs waren voll in Ordnung. Zwar rutschte der Wagen noch ein kleines Stück nach vorn, aber seine Räder rollten nicht über die am Boden liegende Person hinweg. Vielleicht berührten sie die Frau, vielleicht auch nicht. Lady Sarah hörte jedenfalls nichts in dieser Hinsicht.
Eric fluchte. Er schnallte sich los. Er stieg aus. Hinter ihm war ein Fahrzeug ebenfalls im letzten Augenblick stehengeblieben, doch das registrierte Sarah nur am Rande. Sie konnte das Taxi nicht so schnell verlassen wie Eric,
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