1074 - Das Templerkreuz
irgendwie nicht real, sondern eher unheimlich und auch geheimnisvoll.
Schatten und Licht vereinigten sich hier zu ungewöhnlichen Gebilden, die sich auch auf dem Steinboden verteilt hatten.
Sie sprachen nicht. Sie schauten nur. Ihre Blicke suchten nach irgendwelchen Hinweisen, nach einem Kreuz, das dem ähnelte, was John sehen wollte. Vielleicht war es auch nicht in der Sakristei zu finden. Man hätte es auch in die Kirche hängen können, aber das war nicht der Fall.
Es gab Kreuze an den Seiten. Die allerdings besaßen keine Ähnlichkeit mit dem, wie es John Sinclair beschrieben hatte. Es waren normale Holzkreuze aus den unterschiedlichsten Epochen. Mal mit und mal ohne den Corpus.
Beide bewegten sich direkt auf den Altar zu. Die ältere Frau mußte sie gehört haben, sie kümmerte sich nicht um die Besucher und war in ihr Gebet versunken.
»Wo geht es denn hier zur Sakristei?« flüsterte Sheila.
»Immer von den Seiten aus.«
»Rechts oder links?«
»Versuchen wir es links.«
Als sie die Betende passierten, hob die Frau den Kopf. Sie nahmen die Bewegung wahr, blieben stehen und schauten hin. Unter dem breiten Kopftuch schaute sie ein schmales Gesicht an, in dem sich zahlreiche Falten verteilten.
»Möchten Sie auch beten?« wurden sie gefragt.
Bill kramte seine Sprachkenntnisse hervor. »Später vielleicht.« Dann fiel ihm eine gute Ausrede ein.
»Wir sind eigentlich hier mit dem Pfarrer verabredet und sollten in die Sakristei kommen. Wissen Sie, wie wir dorthin gelangen?«
»Mit dem Pfarrer?«
»Ja.«
Die Alte schüttelte den Kopf. »Er ist nicht da. Er ist krank. Schon seit drei Tagen. Es gibt nur einen Helfer, einen Küster.«
»Und wo finden wir ihn?«
»Schauen Sie in der Sakristei nach. Sie ist an die Kirche angebaut worden. Aber sie werden von hier, aus nicht hereinkommen, denn die Tür ist verschlossen.«
»Von wo dann?«
»Gehen Sie außen herum. Es gibt noch eine zweite Tür und noch ein dritte, wenn Sie so wollen. Sie führt von der Sakristei in den Turm hinein.«
»Vielen, herzlichen Dank.«
»Bitte.«
Sheila und Bill zogen sich wieder zurück. Als sie draußen vor der Tür in der Hitze standen, die sie wie ein Schlag getroffen hatte, schüttelte Sheila den Kopf. »Die Frau war aber sehr gesprächig. Dabei sind wir fremd.«
»Es liegt an dir. Du hast eben den guten Eindruck auf sie gemacht.«
»Oh - danke.«
Sie hielten sich im Schatten der Mauer. Stimmen hinter ihrem Rücken zwangen sie zu einer Drehung. Beide mußten lächeln. Wie sollte es auch anders sein. Eine Gruppe Touristen mit Führer hatte den kleinen Platz vor der Kirche betreten. Das hatte ja noch gefehlt.
Schon bei ihrer Ankunft war ihnen der Zaun aufgefallen. Jetzt, als sie sich näherten, sahen sie, daß er die Trennung zwischen der normalen Welt und der der Toten darstellte. Hinter den Gittern lag ein Friedhof. Nicht eben kahl, sondern bewachsen. Die Sträucher und Hecken wirkten auch nicht so verbrannt wie auf dem normalen Land. Hier wurde mehr gegossen und der Feuchtigkeitsspiegel immer gleich gehalten. Zwischen dem Friedhof und der Kirche gab es einen schmalen Weg, der auch zum Turm und damit in die Nähe der Sakristei führte.
Die Tür hob sich kaum vom Mauerwerk ab. Sie mußten schon sehr genau hinschauen, um sie entdecken zu können.
Bill blieb vor der Tür stehen. Sheila folgte ihm. Sie strich wie ein große Katze an den blühenden Rosensträuchern entlang, die zum Friedhof hin eine dornige Grenze bildeten.
»Soll ich hier warten, Bill?«
»Wie du willst.«
»Geh schon mal vor.«
Das tat Bill nicht. Er hatte das schmale Fenster neben der Tür gesehen. Die Scheibe war ziemlich dunkel, so hatte er es schwer, hindurchzuschauen.
»Kannst du was sehen?«
»Nicht viel. Es ist zu dunkel. Auch in der Sakristei. Aber der Raum scheint wohl leer zu sein.«
»Kein Küster?«
»Genau.«
Damit gab sich Sheila zufrieden. Sie ging auf die Tür zu, um sie sich anzuschauen. Dabei rechnete sie mit keiner Überraschung, aber Bill wußte, daß sie etwas entdeckt hatte, als er ihren leisen Ruf hörte. Sofort fuhr er herum.
Sheila stand vor der Tür, schaute dabei nach unten und schüttelte den Kopf. »Sieh dir das mal an, Bill. Es sieht aus, als hätte man versucht, hier einzubrechen.«
Bill war rasch bei ihr. Kein Irrtum. Man hatte sich am Holz der Tür zu schaffen gemacht. Und zwar ziemlich dilettantisch, denn das Schloß war einfach aufgebrochen worden.
»Das war bestimmt nicht der Pastor.«
»Und der Küster
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