1074 - Das Templerkreuz
kulturelles Interesse oder wollte auch nur die Kühle genießen.
Das Pflaster war heiß geworden. Die Hitze spürte ich selbst durch die Sohlen meiner Schuhe hindurch. Auf diesem holprigen Pflaster hätte man wirklich Eier braten können, und der Wunsch, sich ins Wasser zu stürzen, nahm bei mir immer mehr zu.
Nicht jetzt, später vielleicht.
Ich öffnete die Kirchentür. Vor uns waren zwei Frauen mit ihren Begleitern in die Kirche gegangen.
Deutsche, deren Sprache ich gut verstand.
»Ah, ist hier herrlich kühl. Direkt eine Wohltat nach dieser Affenhitze!« stöhnte einer der Männer.
Er hatte es auch nötig. Was er als Halblitergeschwür vor sich herschob, war schon beachtlich. Die Kamera lag auf seinem Bauchaufsatz wie gebettet. Die Frauen hatten zwei Stühle gefunden und sich gesetzt. Mit Tüchern wischten sie den Schweiß aus den Gesichtern.
Ich zählte die Menschen nicht, die sich außer uns noch in der Kirche aufhielten. Viele waren es nicht. Einige gingen an den Außenseiten der Bankreihen entlang. Ihre Köpfe waren in ständiger Bewegung, um nur ja alles zu sehen, was sich ihnen bot.
Es gab auch Menschen, die in den Bänken saßen und sich ausruhten oder einfach nur beten wollten.
Wir suchten den Pfarrer oder jemand, der uns den Weg in die Sakristei zeigen konnte. Daß sie abgeschlossen war, davon gingen wir aus. Obwohl das Templerkreuz in einem Tresor aufbewahrt wurde, ließ man es nicht ohne Bewachung zurück.
Wenn Kirchen oft von Touristen besucht werden, gibt es immer wieder Aufpasser, die darauf achteten, daß gewisse Regeln eingehalten wurden und auch darauf schielten, daß nichts mitgenommen wurde. Damit hatten wir eigentlich auch hier gerechnet. Es sah leider nicht so aus, als könnten wir jemand finden, der uns weiterhalf. Jane und ich waren nach wie vor auf uns allein angewiesen.
Kein Pfarrer, kein Helfer. Auch weiter vorn nicht, auf dem Weg zum Altar.
Gut sah es jedenfalls nicht aus, und das ärgerte mich. Wir waren an der rechten Seite durch die Kirche gegangen. Die Kühle tat uns auch gut. Der mit hellen Adern versehene rotbraune Steinboden schien seine Kälte an uns zurückgeben zu wollen, so gut tat es, über ihn hinwegzugehen.
Aber wir kamen unserem Ziel nicht näher. Ich fand auch keine Tür, die zur Sakristei führte. Zumindest nicht an dieser Seite. Dafür fiel das Licht der Sonne durch die bunten Kirchenfenster. Es streifte uns hin und wieder wie ein warmer Schatten.
Der Weg zum Altar war den Besuchern der Kirche versperrt. Eine Kordel trennte ihn ab.
Wir hatten die Höhe der ersten Bank erreicht und gingen nach links, um auf die andere Seite zu gelangen, weil ich hoffte, doch den Zugang zur Sakristei zu finden.
Jane und ich gingen langsam. Die Detektivin bewegte sich hinter mir. Sie schaute nach rechts, zum Altar hin, während ich meinen Blick geradeaus richtete.
Dabei fiel mir ein Mann auf. Er saß als einziger in der ersten Reihe, aber jenseits des Mittelgangs im anderen Reihenblock. Der Mann war dunkel gekleidet, hatte die Beine ausgestreckt und wirkte nicht wie ein Betender. Zudem las er in einem Buch und hatte den Kopf dabei leicht gesenkt.
Vielleicht fiel er mir deshalb auf oder auch nur, weil er die Hände mit dem Buch plötzlich sinken ließ und sich bewegte. Er schaute nach vorn und hob den Kopf dabei an, um einen besseren Blick auf den Altar zu bekommen.
Jetzt sah ich ihn im Profil!
Wie vom Blitz getroffen blieb ich stehen. Plötzlich war alles anders. Ich schüttelte den Kopf, kam mir vor wie in einem Traum, aber ich kannte den Mann.
Jane war meine Reaktion nicht verborgen geblieben. Mit einem Schritt hatte sie mich erreicht und stieß mich an. »He, was hast du denn?« zischte sie mir ins Ohr.
Ich gab zunächst keine Antwort und holte nur tief Luft. »Dieser - ähm - Mann dort…«
»Was ist mit ihm?«
»Den kenne ich.«
Jane hielt sich zunächst zurück. Als ich nichts sagte, stellte sie die nächste Frage. »Positiv oder negativ…?«
»Keine Ahnung, ich weiß es nicht genau. Ich sehe ihn zunächst einmal neutral an. Aber ich kenne ihn, das mußt du mir glauben. Ich sehe ihn nicht zum erstenmal.«
»Woher kennst du ihn? Wo hast du ihn gesehen?«
Ich hob die Schultern.
Auch Jane Collins hatte sich den Mann jetzt genauer angeschaut. Der Typ selbst hatte davon nichts bemerkt. Er war nach wie vor in der Betrachtung des Altars versunken und kümmerte sich keinen Deut um seine Umgebung. Meine Gedanken rasten natürlich. Ich holte mir Bilder aus der
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