1075 - Horror auf Mallorca
Treffpunkt der Gucker, Flanierer und auch Anmacher geworden. Touristen, deren Haut oft krebsrot war, suchten in den Kneipen und Cafés nach Schatten, tranken und gossen bei dieser Hitze das Bier und den Sangria in sich hinein, als stünden sie am Ballermann, dessen Kneipenlandschaft sicherlich überfüllt war.
Uns interessierte auch kein kochender Strand, keine Schinkenstraße und kein Oberbayern, wo Frauen oft genug nach dem reichlichen Genuß von Alkohol ihre Hüllen und Schamgrenzen ebenso fallen ließen, wie auch die Männer.
Wir wollten das Kastell an der Nordseite des Platzes finden, der an dieser Stelle nicht so belebt war.
Für das alte, dreistöckige, gelbe Haus mit der Zinne zeigte niemand Interesse.
Uns ausgenommen.
Jane blieb stehen und deutete auf eine Einfahrt oder ein Tor in der Mitte des Gebäudes. Dahinter mußte der schattige Hof liegen, in dem sich auch unser Ziel, die Templer-Kapelle, befand.
Die Häuser hier sahen allesamt nicht sehr touristenhaft aufgemotzt aus. Viele wirkten baufällig.
Leitungen zogen sich außen an den Mauern entlang wie Schlangenkörper. Hier lag auch das Rotlichtviertel von Palma. Es gab einige Bars, von denen die meisten geschlossen hatten. Ihr Betrieb würde erst am Abend und in der Nacht beginnen. Trotzdem sahen wir schon einige Pflasterschwalben, die, entsprechend gekleidet und mit bestimmten Blicken, einfach nur spazieren gingen.
Wir ließen uns Zeit. Es war jetzt später Nachmittag geworden, aber die Hitze hatte sich gehalten.
Nicht nur von oben fiel sie auf uns nieder. Jetzt strahlten auch die Steine die Wärme wieder ab, die sie zuvor in den langen Stunden geschluckt hatten. Es war einfach schlimm und schweißtreibend.
Das Stimmengewirr und auch die Musik blieben hinter uns zurück, je näher wir dem Tor kamen. Es wartete auf uns. Es wollte, daß wir den Hinterhof betraten. Es war wie eine Einladung, und die nächsten Schritte brachten uns in den Schatten zwischen den Wänden. Unser Blick glitt in den Hof hinein, bei dem uns zunächst das nicht mehr gute Pflaster auffiel. Es war im Laufe der Zeit zerrissen worden, und das Unkraut hatte sich auch zwischen den Ritzen in die Höhe schieben können.
»Sieht leer aus«, meinte Jane.
Ich deutete in die Höhe. »Wie auch das Haus über uns.« Da waren die meisten Fenster durch Läden verdeckt. »Ich finde allerdings, daß dieser Ort hier ein gutes Versteck ist. Oder hast du einen Touristen gesehen, der auf den Hof wollte?«
»Nur wir.«
»Und wir sind keine Touristen.«
Nach diesen Worten ging ich weiter. Jane stöhnte über die verdammte Hitze. Hin und wieder zupfte sie ihr T-Shirt vom verschwitzten Körper weg.
Im Hof wurde es heller, auch wenn die Sonne nicht mehr senkrecht stand. Sie war bereits in Richtung Westen gekippt und hatte eine andere Farbe bekommen. Nicht mehr so grell, mehr leicht in einen orangefarbenen Ton übergehend.
Die Mauern des alten Kastells interessierten uns nicht. Auch nicht die Freifläche des Hofes, die in ihrem Schatten lag. Für uns war einzig und allein die kleine Kirche wichtig. Wirklich nur eine Kapelle und ohne Turm.
Sie erinnerte mich ein wenig an die alte Templer-Kirche in Soho, auch wenn diese hier kleiner war.
Vom Grundriß allerdings stimmte es, denn sie war sechseckig gebaut worden.
Es wunderte uns, wie gut die Kapelle gepflegt war. Mir fiel ein, daß sich Menschen in einem Verein zusammengetan hatten, um die Kapelle zu erhalten.
Wir schritten auf den Bau zu. Von Fuentes sahen wir nichts. Sollte er tatsächlich hier in der Nähe sein, dann mußte er sich einfach in der Kapelle aufhalten. Ich ging davon aus, daß uns die alte Carlotta die Wahrheit gesagt hatte.
Jane war etwas zurückgeblieben, so daß ich die Eingangstür als erster erreichte. Mich hatte schon ein komisches Gefühl überfallen, und ich wollte die Tür auch öffnen, als mein Blick die Klinke erwischte. Das war nicht durch Zufall geschehen, ich hatte bewußt nach unten geschaut, und es fiel mir auf, daß jemand die Tür kurzerhand aufgebrochen hatte, um in die Kapelle zu gelangen.
Ich winkte Jane Collins herbei und deutete auf das Schloß.
Sie pfiff leicht durch die Zähne. »Verdammt, da ist jemand schneller gewesen.«
»Ja, und ich hoffe, daß sich dieser Jemand noch in der Kapelle aufhält und ein Bekannter von uns ist.«
»Señor Carlos Fuentes.«
»Du sagst es.«
Ich wollte die Tür schon aufdrücken und war deshalb nahe an sie herangegangen, als etwas anderes passierte.
Diesmal
Weitere Kostenlose Bücher