1075 - Horror auf Mallorca
können.« Sie hob den Blick und schaute mir ins Gesicht. »Hast du mich verstanden, John? Dieses Kreuz hat Carlos Fuentes nicht geschützt. Es kann also nicht im entferntesten die Eigenschaften aufweisen, die auch dein Kreuz besitzt. Das mußt du dir mal vor Augen halten.«
»Daran habe ich soeben gedacht.«
»Dann sag mir doch, was du daraus gefolgert hast?«
»Es ist in einem bestimmten Sinne nicht so wertvoll und wichtig, wie wir es angenommen haben.«
»Genau, aber sehr verhalten ausgedrückt.«
»Welcher Meinung bist du denn?«
Beinahe widerwillig deutete Jane auf das Kreuz. »Es ist schlimm. Es ist verändert. Es ist ein Kreuz, das keine Freude bereitet. Zumindest keinem normalen Menschen, und ich bezweifle, daß es gesegnet ist. Erinnere dich an London, als wir es als Dia gesehen haben und es sich verändert hat.«
Damit lag Jane richtig. Ich hatte das Kreuz noch nicht berührt und beugte mich jetzt vor, um es aus der Nähe zu betrachten.
Da war das Silber, da war der Corpus, da waren auch die wertvollen Steine vorhanden, die einen leicht grünlichen Schimmer aussandten. Ich war kein Juwelier, aber ich wußte, daß man für Smaragde einiges auf den Tisch legen mußte. Und diese vier hier waren nicht eben klein.
Das Kreuz lag auf dem Bauch des Toten. Ob die Leiche selbst oder der Gegenstand die Atmosphäre ausstrahlten, war für uns nicht nachvollziehbar. Es war aber etwas vorhanden, das nicht nur uns störte, sondern auch mein Kreuz, denn seine Wärme hatte es nicht verloren, wie ich bei einem Anfassen spürte.
Der linke Arm des Toten lag wie abgetrennt neben dem Körper. Der rechte allerdings berührte noch den Bauch, und die Finger befanden sich fast nur Millimeter vom Templerkreuz entfernt. Das wies darauf hin, daß Fuentes es in der Hand gehabt haben konnte. Als er dann starb, war es ihm entglitten.
Ich redete mit Jane darüber. Sie schloß sich meiner Meinung an und sprach einen folgenschweren Satz aus. »Für mich steht jetzt schon fest, daß dieses Kreuz Carlos Fuentes getötet hat. Wie auch immer, John, aber es muß so gewesen sein.«
Ich zuckte mit den Schultern. »So sicher wie du bin ich mir da nicht.«
»Warum nicht?«
»Wir wissen nicht, wie lange Fuentes hier schon tot liegt. Es kann durchaus jemand vor uns hier gewesen sein und den Mann umgebracht haben. Oder glaubst du, daß nur zwei Helfer auf der Seite des verfluchten Baphomet-Götzen stehen?«
»Nein, das nicht.«
»Deshalb würde ich beide Möglichkeiten in Betracht ziehen.«
Jane schüttelte den Kopf. »Vergiß nicht, daß es dein Kreuz noch immer meldet, John. Es muß also etwas hier sein, das diesen Frieden stört. Ich kann mir nur vorstellen, daß es mit dem Templer-Kreuz in Verbindung steht. Schau dich mal um. Siehst du etwas anderes und verdächtiges hier? Ich nicht.«
»Mein Argument war nicht überzeugend. Ich wollte nur alle Möglichkeiten ausloten. Okay, dann konzentrieren wir uns auf das Kreuz. Soll ich es anheben oder du?«
»Diesmal bist du der Chef.«
»Danke.« Ich nahm die linke Hand, berührte das Kreuz und hob es von der Leiche weg.
»Was spürst du?«
Jane war auf eine Antwort gespannt. Sie mußte allerdings noch etwas warten. »Ich spüre das Gewicht und…« Ich schaute sie an. »Es ist kälter.«
»Kälter?« flüsterte Jane zurück. »Kälter als was?«
»Als mein Kreuz im Normalzustand, zum Beispiel.«
»Damit haben wir den Beweis, daß mit diesem Ding etwas nicht stimmt. Kreuz hin, Kreuz her, aber kannst du dir vorstellen, daß man es gedreht, verflucht, verändert hat? Was wissen wir darüber? Kennen wir seine Vergangenheit? Nein. Vom Wert her ist es sehr teuer, aber über den anderen und wirklichen Wert haben wir noch nichts erfahren.«
»Bis jetzt nicht, Jane. Noch ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht.« Ich ging nicht näher auf meine letzten Worte ein, sondern betrachtete das Kreuz genauer.
Vor allen Dingen den Corpus!
Eine Figur aus Silber. Ein Gesicht, das trotz seiner geringen Größe durchaus einen gewissen Ausdruck besaß. So etwas war beste handwerkliche Feinarbeit.
Ja, es war kalt. Jetzt hing auch ich dem Gedanken nach, daß diese Kälte auf Carlos Fuentes übergegangen war und ihn letztendlich getötet hatte.
Ich legte das Kreuz wieder an seinen alten Platz zurück, was Jane einen Moment enttäuschte. »Das ist doch nicht alles - oder?«
»Nein, Jane. Um sicherzugehen, möchte ich den Test machen. Kreuz gegen Kreuz…«
»Das wollte ich dir gerade vorschlagen.«
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