1075 - Horror auf Mallorca
erwischte mich eine andere Hitze. Sie blieb lokalisiert, auf der Mitte meiner Brust, wo das Kreuz hing.
Es hatte sich in diesem Augenblick erwärmt. Somit wußte ich, daß mit der Templer-Kapelle einiges faul war…
***
Eine Schlange!
Carlos wollte es nicht glauben und dachte, einem Trugbild verfallen zu sein. Aber es stimmte. Es stimmte alles. Auf seinem Körper bewegte sich eine Schlange. Sie hatte sich vom Kreuz gelöst und war einmal ein Corpus gewesen.
Die Größe hatte sich nicht verändert. Die Schlange war ebenso klein oder groß wie der Corpus zuvor. Fuentes schaute geradewegs in die kleinen, sehr kalt wirkenden Augen. Er sah das Maul. Es hatte sich spaltbreit geöffnet, und aus ihm hervor zuckte immer wieder die dünne und trotzdem gespaltene Zunge.
Die Farbe der Schlange war nicht genau zu bestimmen. Sie schimmerte zwischen Grün, Blau und Schwarz und changierte, wenn sich das Tier bewegte.
Fuentes hielt den Atem an. Er litt plötzlich unter irrsinniger Angst.
Er wollte schreien, doch er brachte keinen Laut hervor.
Die Schlange bewegte sich zuckend. Sie glitt auf sein Kinn zu. Die Berührungen und den leichten Druck des Schlangenkörpers nahm er nicht wahr, denn noch immer war er vereist.
Die Schlange erreichte sein Kinn. Jetzt spürte er ihren kalten Körper, dessen Temperatur noch tiefer sein mußte als die in seinem Körper.
Etwas geschah in Fuentes Kopf. Hing es mit einem Brummen zusammen? War jemand dabei, ihm eine Nachricht zu übermitteln? Hatte der Druck bestimmte Botschaften mit auf die Reise gebracht?
Ja, da war eine Stimme.
Er hörte sie, und sie war in seinem Kopf vorhanden. Nur konnte sich Fuentes nicht vorstellen, wer der Sprecher war. Das heißt, eine Lösung gab es schon.
Die Schlange!
Für ihn gab es keine andere Möglichkeit. Sie mußte den Kontakt mit ihm geschaffen haben. Sie war ein Tier, das denken oder reden konnte. Sie war nicht normal, ein Zerrbild, etwas, das nur in der Hölle geschaffen werden konnte.
Die Stimme war da. Sie war sogar für ihn verständlich. Fuentes hörte genau zu, was sie ihm zu sagen hatte. »Das Kreuz ist frei. Endlich. Ich weiß, daß die Menschen es immer wollten, aber sie haben sich geirrt. Sie kannten die Wahrheit nicht. Ihnen war der wahre Weg des Kreuzes nicht geläufig. Die Zeichen wurden schon vor Hunderten von Jahren gesetzt, als man es mir weihte, weil man keine andere Lösung sah. Bevor die Inquisition die Templer von der Insel vertrieb, haben sich einige von ihnen zusammengesetzt. Tief verborgen in den alten Höhlen führten sie die Beschwörungen durch. Sie weihten dem großen Baphomet das Kreuz, und sie sorgten dafür, daß es nicht versteckt wurde wie der eigentliche Schatz des Ordens. Ihre Rechnung ging auf. Das Kreuz überlebte. Doch es dauerte Hunderte von Jahren, bis sich wieder jemand daran erinnerte. Jetzt ist die Zeit reif. Das Templerkreuz hat seine alte Kraft behalten. Nur ahnen die Menschen nicht, welche Kraft darinsteckt. Die des mächtigen Baphomet, dem sogar ein Kreuz geweiht werden konnte…«
Auch als Carlos die Stimme nicht mehr hörte, traute er sich nicht, eine Frage zu stellen. Er hatte alles verstanden, doch er wußte auch, daß er mit seinem Wissen nicht mehr viel anfangen konnte.
Dicht unter seinem Kinn bewegte sich die kleine Schlange wieder. Sie glitt am Hals hoch, um sein Gesicht zu erreichen und schlängelte darüber hinweg.
Es war verrückt. Er konnte sie trotz der Steifheit spüren. Sie machte sich einen Spaß daraus, über die Lippen hinwegzuschlängeln und höher zu gleiten. Über seine Nase hinweg zu seiner Stirn, und in den Ohren hörte Fuentes das Lachen.
Die Schlange war am Ziel.
Sie huschte jetzt an seiner linken Körperseite entlang und kroch wieder in Höhe des Kreuzes auf ihn. Es war Carlos aus der Hand gekippt und lag jetzt auf seinem Bauch.
Noch einmal hörte er die Stimme. »Ich muß dir dankbar sein. Du hast für meine Befreiung gesorgt, und deshalb werde ich dir auch einen schnellen Tod schicken. Ich weiß, daß zwei meiner Diener nicht mehr sind, doch das haben andere zu verantworten, die ich ebenfalls zur Rechenschaft ziehen werde. Aber zuvor bist du an der Reihe…«
Carlos Fuentes wußte genau, wie endgültig diese Worte waren. Er wollte gegen sein Schicksal angehen, aufbegehren, doch das gelang ihm nicht. Die andere Macht war stärker.
Wieder schickte sie die Kälte.
Diesmal kam sie nicht schleichend. Wie von einem Rammstoß gefördert, drang sie in sein Hirn. Es war wie
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