1075 - Horror auf Mallorca
Sie gab die Antwort ohne Triumph in der Stimme, sondern sehr verhalten und sogar etwas unterdrückt. Ein Beweis, daß auch sie Nerven hatte.
Über den Kreuztest wollte ich nicht näher nachdenken. Ich hatte ihn schon unzählige Male durchgeführt, allerdings nicht unbedingt in dieser Form. In der nahen Zukunft würde Kreuz gegen Kreuz stehen. Unter Umständen zwei gegensätzliche Kräfte, die es dann schafften, sich möglicherweise zu neutralisieren.
Davon ging ich allerdings nicht aus. Ich kannte die Macht meines Talismans, der mich zum Sohn des Lichts gemacht hatte. Es fiel mir nur noch schwer zu glauben, daß dieses alte Templerkreuz tatsächlich manipuliert sein sollte.
Der Versuch würde Klarheit bringen.
Jane war einen Schritt nach hinten gegangen. Sie stand dort wie ein Statue auf dem dunkelroten Steinboden, der nähe der Fenster durch schwache Sonnenflecken aufgehellt wurde. Sehr wohl war ihr nicht bei der Sache.
Um uns herum war es still geworden. Es war genug gesagt worden, jetzt mußte der Test alles beweisen.
Eine stickige Luft. Kühl und klamm. Noch immer diese Stille, durch die ich meine Hand mit dem Kreuz bewegte - und ebenso wie Jane zusammenzuckte, als wir das leicht schrille Piepen hörten.
Das war keine Ratte, es war keine Maus, es war überhaupt kein Tier, denn mein Handy hatte sich gemeldet.
Ich legte das Kreuz zur Seite und meldete mich noch einigen Sekunden. Jane stand nur da und schüttelte den Kopf, aber sie mußte auch ihre Bemerkung loswerden. »Ein Handy in der Kirche. Da wird immer toller. Und ausgerechnet du, John.«
»Ja, Sinclair…«
»Ich bin es, John. Ich habe mein Ziel erreicht.«
»Godwin - du?«
Ich hörte sein scharfes Lachen. »Daß es die Höhlen gibt, ist klar, aber ich wollte nach einem anderen Eingang vom Meer her suchen und bin wirklich über die Felsen geklettert und auch zwischendurch. Jetzt wirst du lachen, aber meine Vorahnung ist richtig gewesen.«
»Du hast einen Eingang gefunden?«
»Ja.«
»Wo genau?«
»Kann ich dir nicht erklären. Solltet ihr kommen, ihr werdet ihn finden können, denn ich binde ein Taschentuch an einem Strauch fest.«
»Was hast du jetzt vor? Willst du in die Höhle gehen?«
»Was sonst?«
»Finde ich nicht gut. Du solltest warten, bis wir bei dir sind, denn auch bei uns hat sich einiges verändert.«
»Was denn?«
»Das wirst du gleich erfahren.«
Godwin stellte keine Fragen mehr und wartete ab, was ich ihm zu berichten hatte. In wenigen Sätzen erzählte ich ihm, was wir hinter uns hatten. Ich hörte ihn dabei heftig atmen, denn auch Salier zeigte sich über Fuentes Tod geschockt. Im übrigen war auch er der Meinung, daß dieses Templerkreuz jetzt nicht unbedingt mehr als positiv einzustufen war.
Von seinem Plan allerdings ließ er sich nicht abbringen. Er wollte bewußt in die Höhle des Löwen gehen.
»Deshalb hat man mich auch geschickt, John!«
»Gut, dann tu, was du nicht lassen kannst. Es ist auch möglich, daß sich die Dinge hier entscheiden.«
»Wie gesagt, ihr werdet den Weg finden können, John. Kommt nur von der Seeseite.«
Es war alles gesagt worden. Außerdem war Godwin der Salier kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mensch, der allerdings eine besondere Vergangenheit hinter sich hatte.
»Hoffentlich weiß er, was er tut«, sagte Jane, die sehr besorgt blickte. »Aber wir sind nicht seine Aufpasser. Godwin ist erwachsen, und er ist ein Kämpfer. Einer, der nicht aufgibt. Das muß er auch sein bei dem, was er vorhat.«
Dem brauchte ich nichts hinzuzufügen. Das Stiftskreuz der Templer war für uns wichtiger. Es war uns beiden klar, daß mit diesem wertvollen Kleinod aus der Vergangenheit einiges nicht in Ordnung war. Für Jane und mich stand auch fest, daß es zumindest indirekt für den Tod von Carlos Fuentes die Verantwortung trug.
Ich sah Janes Blick auf mich gerichtet. In ihren Augen stand die Besorgnis zu lesen. Um uns herum hatte sich eine ungewöhnliche Atmosphäre aufgebaut. Zwar floß das Licht durch die schmalen Fenster, doch im Innern der Kapelle kam es mir zumindest fremd vor. Streifen, die zwar Helligkeit brachten, aber sehr schnell verliefen, als wären sie von dem dunklen Boden geschluckt worden.
»Willst du das Kreuz auf der Leiche liegenlassen?«
Ich war dagegen. »Nein, es ist besser, wenn ich es an mich nehme. Dann habe ich beide Kreuze.«
Jane zeigte sich besorgt. »Du weißt nicht, was in diesem Gegenstand steckt.« Sie hatte bewußt neutral gesprochen. Eben von einem
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