1076 - El Toros Totentanz
den Garten gerichtet. Dort hatte sich nichts verändert, aber seiner Meinung nach schienen die Büsche und Sträucher noch dichter zusammengewachsen zu sein. Sie sahen so kompakt aus. Da gab es keine Lücken. Überall klebte die Dunkelheit zusammen wie ein dichtes Tuch.
Er dachte auch an eine Flucht. Einfach wegrennen und sich für den Rest der Nacht verstecken. Wie er den Kampf am nächsten Tag allerdings durchziehen konnte, darüber dachte er noch nicht nach.
Im Extremfall mußte er ihn absagen. Das würde einen großen Imageschaden nach sich ziehen, aber er blieb immerhin am Leben. Momentan fürchtete er sich davor, daß sich dies ändern konnte.
Etwas streifte seine Nase. Ein fremder Geruch. Er paßte nicht in diese Umgebung. Er war einfach anders und hatte auch mit dem der Blüten und Blumen im Garten nichts zu tun.
Die Quelle sah er nicht, aber er spürte wieder die verdammte Kälte auf seinem Rücken.
Hinter ihm war etwas.
Ortega drehte sich.
Die Gestalt stand auf der Treppe. Der Torero fragte nicht, wie sie dahin gekommen war. Sie mußte sich in seinem Haus versteckt gehalten haben, aber sie war vorhanden und kein Trugbild.
Auf der obersten Stufe stand sie wie ein Denkmal. Nichts an ihr bewegte sich. Sie trug ein Kleidungsstück, das bis zum Boden reichte, und auch der Kopf war durch einen Schal oder eine Kapuze bedeckt. Sie ließ das Gesicht frei. Eine dunkle Haut, die nur aus Schatten zu bestehen schien. Unheimlich anzusehen, auch leicht glänzend. Die funkelnden Augen, die eine besondere Sprache redeten, gegen die sich der Torero nicht stemmen konnte.
Die Gegenseite hatte es geschafft. Von nun an wußte er, daß es keine leeren Drohungen gewesen waren, die man ihm über Telefon mitgeteilt hatte. Hier stand jemand, der härter war als er.
Der Mann sprach nicht. Auch Vicente Ortega war nicht in der Lage, ein Wort zu sagen. Er hatte sich verändert. Sein Blut war zu Eis geworden. Schweiß lag auf seiner Stirn.
Und dann war wieder dieses verdammte Geräusch zu hören. Das Schnauben. Dazwischen ein hartes Scharren, das nur dann entsteht, wenn etwas über den Boden gleitet.
Füße vielleicht… Hufe…
Er konnte nicht anders und mußte sich drehen, auch wenn er dem anderen den Rücken zuwandte. Er wollte wissen, was sich in diesem Garten abspielte.
Der Fremde sprach ihn mit leiser Stimme an. »Er ist frei. Er ist gekommen. Er will sich den anschauen, den er ermordet. Hast du mich gehört?«
Vicente Ortega kümmerte sich nicht um ihn. Er dachte überhaupt nicht mehr weiter. Er hatte innerlich abgeschaltet. Nur sein Blick war weiterhin scharf geblieben, und er durchforstete den Garten.
Irgendwo mußte der verdammte Stier stecken. Er konnte sich nicht in den Erdboden verkrochen haben, und er würde auch nicht…
Eine Bewegung unterbrach seine Gedanken. Er war plötzlich nicht mehr in der Lage, etwas nachzuvollziehen. Alles um ihn herum hatte sich verändert oder sich zurückgezogen. Zugleich gab es nur einen Ort, auf den sich seine Welt konzentriert hatte.
Das war der Stier.
Er sah ihn.
Das Tier stand vor ihm auf dem Weg. Es sah aus wie ein Denkmal, aber der Mann wußte, daß es keines war, und auch er als Torero hatte noch nie zuvor ein derartiges Tier zu Gesicht bekommen…
***
Der Stier war groß. Größer als all die anderen, mit denen er es bisher zu tun gehabt hatte. Er war ein regelrechtes Monster. Pechschwarz, auch nicht mit einem glatten ledrigen Fell versehen, das konnte er trotz der Dunkelheit sehen. Dieser Stier besaß ein zottiges Fell, und er war übergroß.
Ein großer gewaltiger Kopf. Hoch und breit zugleich. Helle Hörner, die nach den Seiten hin wegstanden, leicht gebogen und dabei spitz zulaufend. Gefährliche Waffen, die sich tief in die Körper der Opfer bohrten. In diesem Tier steckte eine Kraft, die Ortega ebenfalls noch nicht erlebt hatte. Er spürte sie. Es war eine Aura, die den Stier umgab. Etwas, das er sich nicht erklären konnte. Etwas Böses wehte ihm da entgegen. Kalt und unheimlich. Wie der Gruß aus einer Totengruft.
Der Stier stand auf dem Boden, als wäre er dort einbetoniert worden. Er sah nicht so aus, als würde ihn ein Mensch je bewegen können. Ein Koloß, dessen Augen starr auf den, Torero gerichtet waren.
Der Blick jagte ihm Angst ein. Er kannte ihn nicht bei einem Stier. In den Augen war etwas, das er sich nicht erklären konnte. Es hielt sich dabei noch im Hintergrund verborgen, aber es war im Begriff, immer mehr nach vorn zudringen.
Eine
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