1076 - El Toros Totentanz
plötzlich schwer vor. Mit nach oben gerichtetem Blick schüttelte er den Kopf. »Sie kann nicht«, flüsterte Vicente. »Was soll sie denn auch hier? Sie hat nichts mit den Stieren und dem Kampf zu tun.«
Die Männer ließen sich nicht aus dem Konzept bringen. »Doch, sie hat. Wir haben beschlossen, daß sie es hat, verdammt noch mal. Dein Problem wird auch das ihre werden. So einfach ist das. Du wirst sie jetzt anrufen, dann wird sie herkommen.«
»Sie muß nicht im Haus sein. In der Nacht geht sie immer gern zum Strand hinunter.«
Der Sprecher lachte zuerst. »Das wissen wir. Es hat auch kleine Probleme mit unseren Freunden gegeben. Wäre das nicht gewesen, wäre sie bereits hier. Aber wir sind auch Menschen, die ihre Probleme immer aus der Welt schaffen.«
Was immer diese Worte zu bedeuten haben mochten, Ortega kam mit ihnen nicht zurecht. Und er traute sich nicht, nachzufragen. Die Situation war eindeutig. Er konnte in diesem Spiel nur verlieren, aber vielleicht gab ihm der Zeitgewinn noch eine Chance.
So wählte er die Nummer. Beide Ägypter schauten auf das Display, wo sich die Zahlen abzeichneten. Sie wollten nicht, daß er eine andere Nummer wählte.
Der Ruf ging durch.
Noch hob, keiner ab. Die Spannung wuchs - auch bei den Männern aus Afrika. Ihre Augen hatten sich verengt. Beide wirkten wie auf dem Sprung - und sie sahen, wie der Torero zusammenschrak.
Schwach hörten sie die Frauenstimme und bekamen auch die Antwort des Mannes mit.
»Ich bin's, Vicente…«
***
Der Stier oder ich!
Es war eine Situation, die ich nicht so richtig auf die Reihe bekam, denn so etwas hatte ich noch nie in meinem Leben erlebt. Ich war Gefangener eines Tieres, das normal aussah, es aber nicht war. Wie ein Felsblock stand das Gebilde aus Haut, Muskeln und wahrscheinlich vollgefüllt mit Magie über mir.
Sich zu wehren hatte keinen Sinn. Schon bei der geringsten Bewegung würde er zustechen oder zutreten. Ich bekam noch mit, wie Jane meinen Namen rief, dann mußte ich mich wieder voll auf diesen Koloß konzentrieren.
Wir schauten uns in die Augen.
Und wie wir uns in die Augen schauten, das sah ich schon als ungewöhnlich an. Ich war ein Mensch, aber der verdammte Stier blickte mich ebenfalls an wie ein Mensch, denn plötzlich - so kam es mir vor - war ein Band zwischen uns entstanden.
Ich wußte selbst, daß ich es rational nicht erfassen konnte, aber die Tatsache blieb. Es gab da etwas zwischen uns, das ich mir momentan zwar nicht erklären konnte, das sich aber weiterhin aufbaute.
Der Stier suchte einen Kontakt. Waren es seine Gedanken, die in meinen Kopf flossen, oder war es etwas anderes, das sich ausbreitete und besonders an meiner Brust zu spüren war. Oder auf ihr?
Da lag mein Kreuz!
Ich verschwendete nur einen kurzen Gedanken daran, der aber wies mich noch genauer auf das Kreuz hin. Ich spürte es wie ein doppeltes Gewicht.
Zugleich erlebte ich auch das leichte Brennen. Es war wie eine halbwarme Flamme, die darüber hinwegstrich. War es aktiviert worden? Möglicherweise durch meine Furcht, die ich vor dem Stier hatte. Er war ein wahnsinniges Gebilde, ein Monstrum mit Glutaugen. In seinem Innern steckte etwas ungemein Böses, und mein Kreuz beinhaltete genau das Gegenteil. Da stießen wieder einmal zwei Welten aufeinander, ohne allerdings direkten Kontakt bekommen zu haben. Noch war es nicht mehr als ein Abwarten und Lauern, aber mit dem Stier stimmte auch äußerlich etwas nicht.
Sein Kopf bewegte sich. Zuvor hatte er noch ruhig über mir gestanden. Ich erlebte die Veränderung.
Er öffnete sein Maul. Ich schaute direkt in den nassen Schlund, sah auch die Zunge, die sich auf und ab bewegte. Ich spürte den Geruch, der eklig gegen meine Nase strömte und hörte tief in der Kehle ein Geräusch.
War es ein Stöhnen, Ächzen oder Röhren? Wahrscheinlich kam da einiges zusammen, und es hörte sich leidend oder stark gequält an. Dem Stier ging es nicht gut. Er litt. Er bekam Druck, und sein Kopf zuckte genau in dem Augenblick zurück, als unter meinem Hemd etwas Bestimmtes aufglühte, das zu meinem Kreuz gehörte.
Es war verbunden mit einem seltsamen Schmerz, der über meine Brust hinwegglitt. Scharf und irgendwie auch kalt. Kaum zu beschreiben, in den Folgen allerdings zu sehen, denn unter meiner Kleidung und auf dem Kreuz leuchtete auf einer bestimmten Stelle etwas türkisfarben auf. Die Umrisse zeichneten sich sehr deutlich ab. Es war das Ankh, das Henkelkreuz, das schlüsselartige Symbol für ewiges
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