1076 - El Toros Totentanz
überhaupt hätten stoppen können. Seine Haut sah aus, als würden die Kugeln an ihr abprallen. Er war eben in allem anders. Seine Herkunft mußte man Tausende von Jahren zurückrechnen. Damals schon hatten die alten Ägypter ihren heiligen Stieren Nekropolen errichtet.
Es war keine Absicht von uns, es lag einzig und allein am Stier, daß er es schaffte, uns in die Enge zu treiben. Er kontrollierte die Terrasse, während wir weiter zurückwichen.
Und dann sprang er.
Es geschah so plötzlich, daß Jane und ich keine Chance hatten, auszuweichen. Er wuchtete sich auf uns zu. Es machte ihm nichts aus, daß die Steine etwas glatt waren, er hatte seinen Boden gefunden, und ich bekam den Stoß mit.
Mir war, als hätte mich ein Riese angetippt. Ich verlor den Kontakt zum Boden, fiel hin, rutschte über die Steine hinweg und sah in meiner Nähe den gewaltigen Schatten.
Wie aus weiter Ferne hörte ich den Frauenschrei, dann kam ich zur Ruhe, und der Stier stand plötzlich über mir. Ich lag auf dem Rücken. Er hatte zwei seiner Füße auf meine Brust gestemmt, hatte auch den Kopf gesenkt und starrte auf mich herab.
Es war die Haltung des Siegers über den Verlierer!
***
Es roch nach Dreck, nach Stroh, nach Kot, nach allem möglichen, und der Torero hatte sich bereits zweimal übergeben müssen und hineingebrochen in die stickige Dunkelheit, die von keinem Lichtstrahl zerstört wurde.
Er lag da und wurde bewegt.
Man schaffte und fuhr ihn weg.
Man hatte ihn eingesperrt in einen fahrbaren Kasten, in dem sonst Stiere transportiert wurden. Deshalb auch dieser scharfe widerliche Geruch, der ihn umgab und dafür sorgte, daß sich bei ihm noch immer der Magen umdrehte.
Das Gefährt schwankte. Es rappelte. Wurde durchgeschüttelt. Mal nach oben geschleudert, um einen Moment später wieder nach unten zu fallen. Ein ewiges Hin und Her.
Man hatte ihn nicht gefesselt. Darüber war er froh, so konnte er die meisten Stöße ausgleichen und hatte sich beim Aufprall auch noch nicht verletzt.
Sie hatten ihn niedergeschlagen und fertiggemacht. Er wußte nicht, wohin er gebracht werden sollte.
Möglicherweise an einen geheimen Ort.
Er war nicht gefesselt worden. Befreien konnte er sich aus dem stinkenden Holzwagen nicht. Die Tür war verschlossen, das hatte er schon ausprobiert, und so blieb ihm nur eins. Sich in das Schicksal zu ergeben.
Manchmal waren die Straßen besser, durch die sie fuhren. Da war die Schaukelei einigermaßen zu ertragen, aber die Schmerzen in seinem Kopf ließen nicht nach.
Ortega hatte sich hingesetzt und sich mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt. Beide Hände hielt er gegen den Kopf, als könnte er die Schmerzen so zurückhalten. Jedes Stoßen bekam er doppelt zu spüren, und immer wieder stöhnte er auf.
Schließlich fuhr der Wagen langsamer. Es ging um eine Kurve, dann um eine zweite. Danach hielten sie an.
Vicente Ortega war froh darüber, aber auch erschöpft, denn er sackte förmlich in sich zusammen.
Apathisch blieb er auf der Stelle hocken. Er kannte keine Namen. Er wußte nicht, wer seine Entführer waren. Es war alles viel zu schwammig. Ihm war nur klar, daß ein Fehler begangen worden war. Sie hätten den Stier nicht aus Ägypten holen und sich mit einem normalen zufriedengeben sollen.
So aber mußte er dafür büßen. Die schlimmen Zeiten waren längst nicht beendet. Sie gingen weiter, denn er war darin so etwas wie ein Mittelpunkt.
Er hörte Schritte. Auch Stimmen. Was die Männer sprachen, verstand er nicht, aber sie näherten sich der Tür, und Ortega wußte, daß sie ihn rausholen würden.
Jemand zerrte die Tür auf. Viel heller wurde es so lange nicht, bis jemand eine Taschenlampe einschaltete und in den kleinen Transporter hineinleuchtete.
Der Strahl traf das Gesicht des Toreros. Er wurde geblendet und versuchte, zur Seite zu schauen.
»Raus!«
Der Befehl war deutlich genug gewesen. Das Licht blieb und leuchtete jetzt den Boden an, der alles andere als sauber war. Dreck und Kot hatten einen dünnen Teppich gebildet, über den Ortega hinwegkriechen mußte und sich so gedemütigt vorkam.
Sie empfingen ihn draußen. Er kannte sie aus seinem Haus. Sie zerrten ihn hoch, wuchteten ihn herum und zerrten ihn weiter in einen schmalen Gang hinein.
Vicente Ortega kannte die Umgebung. Er und die beiden Männer befanden sich im Backstage-Bereich der Arena. Von dort aus wurden die Stiere in das Areal hineingetrieben. Hier gab es die Ställe, aber auch die Räume für die Toreros, die
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