1079 - Dämonen-Domina
genug, um zu wissen, daß es ihn ärgerte, wenn er auf der Stelle trat.
Shao wartete auf uns. Sie hatte frischen Tee aufgesetzt und freute sich, daß Suko früh zu Hause war.
Der Tisch war gedeckt, wir nahmen Platz, aber es war keine gemütliche Plauderstunde beim Tee, auch wenn es so aussah. Suko holte das Fundstück aus der Tasche und legte es mit der Gravur nach oben auf den Tisch.
»Das ist das Corpus delicti«, erklärte er und schaute Shao dabei scharf an.
Sie lächelte und strich ihre Haare zurück, die sich auf ihren Schultern ausbreiteten, über ihrem hellen T-Shirt. »Man hat es in der Asche gefunden?«
»Ja, das sagte ich dir.«
Shao nahm die abgerundete Plakette, ließ sie von einem Handteller auf den anderen gleiten, schaute sie genau an, räusperte sich dabei und gab zunächst keinen Kommentar ab.
Da auch Suko ruhig blieb, sprach ich. »Das Gesicht, so nehmen wir an, muß irgendeiner Gottheit gehören. Oder was meinst du?«
Sie nickte. »Davon kann man ausgehen.«
»Kennst du sie?«
»Sie muß etwas mit Feuer zu tun haben«, sagte Suko. »Der Mann ist nicht verbrannt, sondern verglüht.«
Shao schaute noch einmal. Wir sahen, daß sie nickte. »Ich denke, daß ich Bescheid weiß. Ich brauche nicht einmal groß zu überlegen. Ich weiß, um welche Gottheit es sich handeln muß.«
»Und?« flüsterte ich.
Die Chinesin lächelte. »Sie gehört nicht in die chinesische Mythologie, sondern in die japanische. Kagu-Zuchi ist ein Feuergott und speziell Beschützer der Geishas.«
Das war's. So einfach. Suko runzelte die Stirn, ich schwieg ebenfalls, und wir warteten darauf, daß Shao noch etwas hinzufügte. Sie zuckte jedoch mit den Schultern.
»Du bist überfragt?« flüsterte ich.
»Ja. Ich weiß, daß dieser Gott Kagu-Zuchi heißt. Wie gesagt, er wird von den Geishas verehrt. Mehr kann ich euch darüber auch nicht sagen, tut mir leid.«
»Das ist immerhin etwas«, murmelte ich vor mich hin und trank einen Schluck Tee. Dann blickte ich Suko an.
Er nickte. »Ich weiß, was du sagen willst, John. Diese Zeugin hat gesehen, wie der Mieter mit einer Frau nach Hause kam. Eine Asiatin. Wir können jetzt davon ausgehen, daß es eine Japanerin war.«
Ich verzog die Lippen. »Aber eine Geisha? Das kann ich nicht glauben. Denk mal nach, welche Tradition dahintersteckt. Geishas sind Gesellschafterinnen. Sie treiben sich nicht auf der Straße oder in irgendwelchen obskuren Clubs herum…«
»Das war früher, John«, berichtigte mich Shao. »Heute sieht das etwas anders aus.«
»Wie meinst du das?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Na ja, mal locker gesagt sind die Geishas auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Da kommt schon einiges zusammen. Ich meine, sie standen ja für besondere Aufgaben zur Verfügung und die schlossen auch das eine mit ein. Es ist durchaus möglich, daß es Mädchen gibt, die sich Geishas nennen, obwohl das beileibe nicht der alten Tradition entspricht. Vielleicht hat dieser Mann gedacht, sich eine Geisha mit nach Hause genommen zu haben. Kann doch sein, daß sie ihm erklärt hat, sie wäre eine. Da hat er sie eben mit in seine Wohnung genommen.«
»Wo er dann verbrannte.«
»Richtig.«
»Und warum?«
Suko gab die Antwort. »Er verglühte, John, weil unsere Geisha das Bild des Götzen Kagu-Zuchi bei sich trug, und weil dieser Gott ein Beschützer der Geishas ist. So haben wir den roten Faden.«
Ich stöhnte auf. »Kann das nicht zu weit hergeholt sein?« fragte ich vorsichtig.
»Möglich, aber…«, Suko hob die Schultern. »Siehst du eine bessere Lösung?«
»Im Moment nicht.«
»Dann müssen wir davon ausgehen, daß es jemand gibt, der dafür sorgen kann…«
»Moment mal«, unterbrach Shao ihren Freund. »Wir reden hier über diese unbekannte Frau. Wichtiger ist die Plakette.« Sie tippte mit dem Finger darauf. »Ich kann mir vorstellen, daß in ihr die gewaltige Kraft steckt. Weiterhin wundert es mich, daß die Geisha, wenn wir dabei mal bleiben wollen, dieses Andenken nicht wieder eingesteckt und mitgenommen hat.«
»Nur falls es ein Unikat ist«, gab ich zu bedenken.
»Du glaubst, sie hätte mehr davon?«
»Kann sein, Shao, wenn ich deinen Gedanken folgen soll. Oder siehst du es anders?«
Sie wartete einen Moment und schüttelte den Kopf. Sie drehte das Fundstück zwischen den Fingern.
»Es ist nichts zu spüren. Handwarm. Auch an der Seite, wo wir die Fratze sehen. Ich komme im Moment damit nicht zurecht, wenn ich ehrlich bin.«
»Hast du damit gerechnet,
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