108 - Die Fratze des Grauens
hätte Gas wegnehmen müssen, aber er blieb drauf, und Sekunden später hatte er den Wagen nicht mehr unter Kontrolle. Das Fahrzeug kam von der Fahrbahn ab. Wie ein Torpedo schoß es durch hohe Büsche. Wieder brach etwas, und dann überschlug sich das alte Auto mehrmals. Die Tür flog auf seiner Seite auf, und Robert Ellis sauste wie vom Katapult geschleudert hinaus, Büsche und Jungbäume fingen ihn auf. Auf dem weichen Boden blieb er benommen liegen - unverletzt.
Seine Mutter war schlechter dran…
***
Omar Neville bremste voll. Die Reifen schmierten schwarze Striche auf den Asphalt. Das Fahrzeug drehte sich und sackte seitlich ab. Neville rammte die Tür mit der Schulter auf und sprang aus dem Auto. Er hetzte durch die Schneise, die Ellis’ Fahrzeug in die Büsche gerissen hatte, und sah das Wrack. Auslaufendes Benzin entzündete sich soeben.
»Großer Gott, auch das noch!« stieß der Inspektor aufgeregt hervor.
Er kehrte um und holte den Feuerlöscher aus dem Dienstwagen. Gierig griffen die Flammen um sich. Sie hüllten bereits das gesamte Wrack ein. Neville bekämpfte das Feuer. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, war schmerzhaft, aber er biß die Zähne zusammen und ließ sich nicht zurückdrängen.
Ellis beobachtete den selbstlosen Kampf des Polizisten. Dennoch haßte er ihn. Er preßte die Kiefer zusammen.
Mutter! dachte er. Mutter!
Am liebsten hätte er es herausgebrüllt wie ein waidwundes Tier. Seine Mutter, der einzige Mensch, den er achtete und respektierte, kam in diesen Flammen um! Wahrscheinlich war sie bereits tot!
Tot!
Und es gab jemanden, der schuld war an ihrem Tod: Inspektor Omar Neville!
Er hat uns gehetzt! dachte Robert Ellis haßerfüllt. Seinetwegen mußte Mutter sterben! Ich werde diesen Mann bestrafen.
Nach und nach erstickten die Flammen unter dem weißen Löschschaum, Inspektor Neville glaubte nicht, daß die Insassen noch zu retten waren, wollte sie aber auf jeden Fall aus dem Wrack holen. Auf den Knien liegend, griff er nach der toten Frau und zerrte sie durch das offene Seitenfenster aus dem demolierten Gefährt Dann kroch er näher an das Fahrzeug heran und suchte Ellis.
Nichts. Ellis lag auch nicht in der Nähe des Wracks im Gras. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Mit ein bißchen Glück hatte Robert Ellis diesen Unfall überlebt. Zum schweren, bewaffneten Raub und zu dieser waghalsigen Flucht kam noch ein weiteres Delikt; Robert Ellis hatte seine Mutter in den Tod gefahren!
Inspektor Neville blickte sich suchend um. Irgendwo hatte sich der Verbrecher verkrochen, »Ellis!« rief der Inspektor. »Hören Sie mich, Ellis?«
Der junge Mann antwortete nicht. Konnte oder wollte er nicht antworten?
Omar Neville angelte wieder die Pistole aus der Schulterhalfter. Dann suchte er Ellis, aber er fand ihn nicht.
»Verdammt noch mal, Ellis, Sie können nicht weit sein!« schrie der Inspektor. »Warum geben Sie nicht auf? Ihre Mutter ist tot! Durch Ihre Schuld! Reicht Ihnen das immer noch nicht?« Neville ging weiter. »Was muß alles noch passieren, damit Sie sich geschlagen geben? Sie denken, immer noch eine Chance zu haben, aber die haben Sie nicht. Man wird dieses ganze Gebiet durchkämmen! Wir werden Sie finden, Ellis, und dann geht es ab mit Ihnen ins Zuchthaus!«
Er suchte noch fünf Minuten weiter, dann kehrte er um, steckte die Pistole weg und setzte sich in seinen Wagen. Er griff nach dem Mikro des Funkgeräts, um sich mit seinen Kollegen in Verbindung zu setzen, doch dazu ließ es Robert Ellis nicht kommen.
Er hatte in Nevilles Dienstwagen auf den Inspektor gewartet, in der Hand ein Messer…
Langsam richtete er sich hinter Omar Neville auf.
Und dann stach er zu!
***
Er machte sich nicht die Mühe, die Leiche des Polizisten zu verstecken. Man würde das Wrack und seine Mutter finden. Warum sollte man nicht auch auf den Inspektor stoßen? Es würde für niemanden ein Rätsel sein… Selbst der Dümmste würde sofort wissen, wer Omar Neville umgebracht hatte. Es war Ellis egal, Wichtig war ihm nur, daß der Tod seiner Mutter gesühnt war.
Sie hatte ihn nach London begleiten wollen. Sie hätte ihm gesagt, was er tun mußte. Sie hatte eine bessere Antenne für das gehabt, was von außen kam. Aber sie lebte nicht mehr. Er war gezwungen, ohne sie zurechtzukommen.
Diese unheimlichen gelben Augen… Gehörten sie seinem Vater?
Wann würde er alles wissen? Aus welchem Grund er gezeugt worden, was seine Bestimmung war…
Ellis begab sich zu seiner Mutter.
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