108 - Die Fratze des Grauens
am Ende!
Der Sumpf umschloß nun schon seine Brust wie ein teigiger Ring, und bald reichte ihm der Morast bis an den Hals. Er streckte sich, machte den Hals lang… Als ob das etwas genützt hätte.
Ich sterbe! dachte Ellis erschüttert.
Ich bin rettungslos verloren, und niemand außer dieser verdammten Kreatur mit den gelben Augen weiß davon.
»Hilfe!« brüllte er zum letztenmal. »M-u-t-t-e-r!«
Und seine Mutter hörte ihn.
Sie stürzte in sein Zimmer, machte Licht. Er lag schweißnaß im Bett und wurde von diesem entsetzlichen Alptraum gequält.
Suzannah Ellis eilte zu ihm. Ihr weißes Nachthemd raschelte bei jedem Schritt. Sie warf sich auf ihren Sohn. Als sie ihn berührte, brüllte er gleich wieder auf. Sie hielt seinen Kopf mit beiden Händen fest. Kalt klebte sein Schweiß nun an ihren Handflächen. Sein schmales Gesicht zuckte konvulsivisch.
»Robert!« rief sie eindringlich, »Robert, komm zu dir! Wach auf!«
Er wollte sich von ihren Händen befreien, versuchte sie fortzustoßen, doch sie klammerte sich förmlich an ihn.
»Wach auf, Robert!« .
Er keuchte, und auf seinem Gesicht spiegelte sich alle Verzweiflung, zu der ein Mensch fähig ist.
»Bitte, Robert!« sagte die rothaarige Frau laut. »Bitte!«
Er riß verstört die Augen auf, schien nicht zu wissen, wo er sich befand. Sein Blick war leer. Er begriff nichts.
»Robert, mein Junge!« sagte Suzannah Ellis, und allmählich kam er zu sich.
Verwirrt sah er sie an, dann schaute er an ihr vorbei.
Er befand sich in seinem Zimmer, lag in seinem Bett, steckte nicht in diesem widerlichen Sumpf. Es war ein Traum gewesen, ein schrecklich realistischer Traum. Und es war nicht der erste Traum dieser Art, aber er war noch nie so schlimm gewesen.
Robert Ellis setzte sich auf. Er umarmte seine Mutter, hielt sie fest.
»Beruhige dich«, sagte Suzannah Ellis, Sie war eine schlanke Frau, noch keine Vierzig, und sie lebte mit ihrem Sohn allein in diesem Haus. Immer schon.
»Ich hatte wieder diesen Alptraum«, sagte Ellis heiser. »Sie häufen sich in letzter Zeit.«
»Ich weiß, aber das braucht dich nicht zu beunruhigen.«
»Ich sterbe jedesmal beinahe vor Angst«, sagte Ellis.
»Es kann dir aber nie wirklich etwas passieren.«
»Mach das einem, der träumt, mal klar«, stöhnte Robert Ellis.
»So, wie sie gekommen sind, werden sie wieder aufhören, diese schrecklichen Träume«, behauptete die rothaarige Frau.
Ihr Sohn lehnte sich an die Wand, zog die Beine an die Brust und umklammerte sie. Er legte den Kopf auf seine Knie und starrte an seiner Mutter vorbei.
»Was hast du geträumt?« wollte Suzannah Ellis wissen, »Warst du wieder im Moor? Erzähle es mir.«
»Diesmal war’s schlimmer als all die anderen Male, Mutter.«
»Es wird sich wahrscheinlich noch weiter steigern.«
»Wie soll ich das aushalten?« fragte Robert Ellis besorgt, »Du wirst es aushalten«, bemerkte seine Mutter überzeugt. »Weil du stärker bist, als du denkst. Wurdest du wieder verfolgt?«
»Ja.«
»Hast du deinen Verfolger diesmal gesehen?« wollte Suzannah Ellis gespannt wissen.
»Ja… Das heißt, ich sah nur seine Augen… Sie waren kalt und böse, leuchteten gelb wie die eines Raubtiers…«
»Das ist ein gutes Zeichen!« sagte Suzannah Ellis. Sie schien begeistert zu sein, »Ich hörte dieses Biest knurren…«
»Irgendwann wird es sich dir zeigen«, behauptete die rothaarige Frau. »Dann ist die Zeit reif.«
»Reif wofür?« wollte der junge Mann wissen.
»Hab keine Angst, mein Sohn«, sagte Suzannah Ellis. »Du darfst voller Vertrauen in die Zukunft blicken, denn du bist - von deiner Abstammung her -etwas Besonderes,«
Sein neugieriger Blick erforschte ihr Gesicht, das trotz seines Alters noch schön war. Er wußte nichts über seine Abstammung. Seine Mutter hatte darüber stets den Mantel des Schweigens gebreitet. Wenn er nach seinem Vater gefragt hatte, hatte sie ihm entweder ausweichende oder gar keine Antworten gegeben.
Manchmal hatte sie gesagt: »Hab Geduld. Wenn die Zeit reif ist, wirst du alles erfahren.«
Und vorhin hatte sie behauptet, die Zeit wäre reif!
Würde er endlich erfahren, was er schon so lange wissen wollte? Wer war sein Vater? Irgendein Landstreicher, den Suzannah Ellis vergessen wollte? Eine hochgestellte Persönlichkeit, die sich vor zwanzig Jahren einen Fehltritt erlaubt hatte?
Manchmal hatte sich Ellis gesagt, nicht einmal die Herkunft einer Vollwaise wäre so undurchsichtig wie seine.
Und nun sprach seine Mutter zum
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