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1081 - Die Mutprobe

1081 - Die Mutprobe

Titel: 1081 - Die Mutprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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die Stimme der Wahrsagerin klang auf. Sie sprach ebenfalls laut. Dann wurde die Tür aufgezogen, und die Frau stand plötzlich vor uns. Sie trat einen kleinen Schritt in den Flur hinein und schien uns nicht zu bemerken. Wie geistesabwesend lehnte sie sich gegen die Flurwand und mußte Luft holen. Ihr Gesicht war gerötet. Flecken malten sich auf den Wangen ab.
    »Was ist los?« fragte ich.
    Nach einem tiefen Atemzug gab sie mir die Antwort. »Mike hat sich verändert. Der andere ist wieder da. Er hat ihn übernommen. Es ist nicht mehr möglich für mich, ihn unter Kontrolle zu halten. Er… er… ist wie ein Tier. Das sage ich deutlich. Der Mensch ist nur noch äußerlich zu sehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich komme nicht mehr weiter. Er will auch nicht mehr hier im Haus bleiben. Es drängt ihn hin zu ihm.«
    »Wer ist er?«
    »Pretorius.«
    »Was?«
    »Ja, Mr. Sinclair. Ein gewisser Pretorius.«
    Suko und ich schauten uns an. Der Name war uns unbekannt. Damit konnten wir nichts anfangen, und so mußte uns Milena helfen. Von ihr wollten wir erfahren, ob sie schon mit dem Namen in Kontakt gekommen war, aber sie wich aus.
    »Nein, direkt nicht. Aber ich habe ihn gehört. Schon vor Mike. Er liegt auf dem Friedhof in der Nähe begraben. Es ist ein altes Gelände, vergessen von den Menschen. Man kann ihn als Totenacker bezeichnen. Wer dort liegt, der hat kein anständiges Begräbnis verdient - heißt es.«
    »Könnte es sein, Milena, daß dieser Pretorius nicht mehr tot ist. Oder noch nie richtig tot war?«
    »Fragen Sie das Mike.«
    Wer uns so aufforderte, den wollten wir nicht enttäuschen. Milena blieb zurück. Sie überließ uns den Vortritt.
    Das Arbeitszimmer der Wahrsagerin wirkte auf uns jetzt anders. Hier herrschte ein anderer Geist vor. Etwas hatte Eintritt gefunden, und es hing natürlich mit Mike Warner zusammen, der auf der Liege saß, seine Hände zusammengeknetet hatte und vor sich hinflüsterte. Er achtete nicht auf uns.
    Er war voll und ganz mit sich selbst beschäftigt und mit dem, was ihn leitete.
    Wir kannten ihn noch nicht lange. Einmal hatten wir ihn in einem wahren Rausch erlebt, danach so gut wie normal, und jetzt befand er sich in einem Zwischenstadium. Die andere Macht hatte ihn noch immer beeinflußt, aber er hielt sich jetzt unter Kontrolle. Nur sein heftiges Keuchen wies darauf hin, wie schlecht es ihm letztendlich ging.
    Ich stellte mich vor ihn. Suko wartete an der Tür und deckte den Fluchtweg ab. Diesem Mike Warner war alles zuzutrauen. Als er meinen Schritt sah, hob er den Blick. Ich schaute dabei in seine Augen, die ganz anders aussahen. Darin lauerte genau das, was ihn leitete. Es war keine Kälte. Es war eher ein Wissen um die eigene Stärke, die er auch umzusetzen suchte.
    Nur gab es hier keine Waffe mehr, mit der er sich auf mich stürzen konnte. Es blieb bei seiner Unruhe und den scharf geflüsterten Worten.
    Ich hörte nur zu. Es wäre ein Fehler gewesen, ihn jetzt zu unterbrechen. Milena hatte es geschafft, ihn aus der Reserve zu locken und das andere aus ihm hervorzuholen. Er bewegte seinen Mund, und die Worte nahmen an Deutlichkeit zu, so daß auch ich sie verstehen konnte.
    »Pretorius«, wiederholte er einige Male den Namen. »Ich muß zu ihm. Ich will hin. Pretorius ist wichtig. Ich mag ihn. Er ist mein Freund. Ich weiß es. Er ist nicht tot, wie wir es uns gedacht haben. Er kommt zurück. Ja, er kommt…«
    Seine weiteren Worte gingen in ein Gemurmel über, das ich nicht verstand. Aber Mike wollte nicht auf der Liege hocken bleiben. Mit einer sehr ruckartigen Bewegung stand er auf, schaute mich an und machte nicht den Eindruck, als wollte er sich auf mich stürzen.
    Ich nutzte die Chance. »Pretorius?« fragte ich leise. »Wer ist das? Wo finden wir ihn?«
    Warner tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Brust. »Hier ist er. Ich spüre ihn. Er hat mich gerufen. Es gibt ihn, und ich werde wieder zu ihm gehen.«
    »Wann?«
    »Jetzt. Jetzt gleich. Sofort muß ich hin.«
    »Wo lebt er denn?«
    »Ich habe bei ihm gesessen. Ich habe ihn gespürt.«
    »Lebt er?«
    Sein Blick bekam etwas Verschlagenes. »Es gibt ihn. Ich bin mir sicher. Er hat sich mit mir unterhalten. Ich weiß es. Er hat mich geführt. Er will, daß ich komme.«
    »Dann laß uns gehen.«
    »Ich gehe!«
    »Aber nicht allein.«
    Über die Antwort mußte er nachdenken. Deshalb bekam ich die Gelegenheit, das zu tun, was ich mir schon vor Sekunden ausgedacht hatte. Der Test mit dem Kreuz war wichtig.

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