1083 - Das Mondschein-Monster
letzten Buchstaben verwehten. Tricia stand noch immer auf den Beinen. Eine Hand wühlte sich von ihrem Rücken her in das lange, dichte Haar hinein. Sie schob es hoch, während Tricia gleichzeitig losgelassen wurde.
Sie sank zu Boden. Wurde auf die weiche feuchte Erde gelegt wie in ein Bett.
Kalik stand über ihr. Seine lichterfüllten Augen sahen sie noch einmal an. Dann bückte er sich und hob ihre Kleidung hoch. Er drapierte sie über den nackten Frauenkörper, um ihn vor der Kälte zu schützen. Bevor er sich umdrehte und ging, sprach er noch einen Satz aus: »Der Kreis ist geschlossen…«
***
Tricia ging. Der Wald lag fast hinter ihr. Die Bäume standen nicht mehr so dicht. Am Himmel zeigte sich der volle Mond und begleitete als Beobachter den Weg der einsamen Frau.
Das Kleid hatte sie wieder übergestreift, ohne es richtig gemerkt zu haben. In ihrem Kopf tuckerte es. Jeder Schlag des Herzens war wieder so überdeutlich zu spüren, und wenn sie die Augen weit öffnete, tanzte die Umgebung. Sie hörte sich atmen, erkannte die Rückseite des Hauses und sah auch an der rechten Seite einen Lichtschein, der sich schnell bewegte. Daß es ein sich entfernendes Auto war, spielte in ihrem Fall keine Rolle.
Wenn tiefe Träumer erwachen, mußten sie sich ähnlich fühlen. Tricia ging schnell und leicht schwankend. Jemand trieb sie bewußt an und steuerte sie dem Ziel entgegen, das sie so schnell wie möglich erreichen mußte.
An der Hintertür blieb sie stehen. Im Haus war es nicht ruhig. Die Gäste waren eingetroffen wie jeden Abend. Sie zahlten, suchten sich die Mädchen aus, hatten ihr Vergnügen. Das alles kannte Tricia, und sie würde es auch weiterhin mitmachen. Nur eben unter den veränderten Umständen. Sie wußte noch, wie sie in das Haus gelangt war, aber nicht mehr, wie sie ihr kleines Dachzimmer erreicht hatte. Gesehen worden war sie nicht. Auf dem Bett liegend fand sie sich wieder. Zwar hielt sie die Augen geöffnet, doch es kam ihr vor, als würde sie schlafen. Einfach wegfallen, abtauchen in eine andere Welt, wobei die echte nicht ganz verschwand. Die fremde Ebene allerdings gewann die Oberhand. Tricia konnte sehen, ohne daß sich in ihrer unmittelbaren Umgebung etwas veränderte.
Ihr waren nur die Augen für die andere Welt geöffnet worden, die voller Geheimnisse und Rätsel steckte, an denen sie jetzt teilnehmen durfte.
Daß ihre Augen verändert waren, wußte sie. Nicht nur äußerlich, es war auch etwas anderes mit ihnen geschehen. Sie erinnerten Tricia an eine Leinwand, über die Bilder eines Filmstreifens huschten, der ihr Szenen aus anderen Welten zeigte.
Eine fremde Landschaft. Darin eingehüllt schreckliche Wesen. Graue Schattenmänner, Knochen, Skelette, wüstenartige Landstriche und das kalte Licht eines kreisrunden Himmelskörpers, der alles bestrahlte.
Die Welt hinter der echten. Eine völlig andere. Eine, die es sonst nur in der Phantasie gab.
Tricia wußte, daß sie zu dieser Welt gehörte. Sie nahm es einfach hin, ohne näher darüber nachzudenken. Es gab nichts anderes mehr. Sie konnte sich nicht wehren, und auch die Bilder verschwanden nicht, so sehr sie es sich auch wünschte und auch die Augen schloß. Sie blieben einfach bestehen wie ferngelenkt. Und mitten in diese Bilder hinein schob sich die mächtige Gestalt des Riesen.
Auch jetzt trat sein Kopf mit dem haarlosen Schädel überdeutlich hervor. Die großen Augen. Das kalte Licht darin, das sich dort besonders abzeichnete und sich unter der Haut mehr als ein Schimmern verteilte.
Er nickte ihr zu.
»Kalik…?« Tricia hatte den Namen ausgesprochen, ohne es zu wollen. Er war ihr einfach nur über die Lippen gerutscht, aber sie ging davon aus, daß Kalik sie auch verstanden hatte.
Seine Lippen zogen sich in die Breite. Er zeigte ihr ein Lächeln. Er war mit ihr zufrieden, er nickte auch, und im gleichen Moment hatte sie den Eindruck von ihm berührt zu werden. Ein sanftes Streicheln seiner wunderbaren Hände. Lockung auf ihrer Haut und Beruhigung zugleich. Wie von selbst schloß Tricia die Augen und schlief sofort ein.
Wann sie erwachte, wußte sie nicht. Urplötzlich war sie voll da. Richtete sich auf. Kämpfte mit ihren Gedanken, weil sie im Moment nicht wußte, wo sie sich befand.
Die Erinnerung kehrte rasch zurück, denn sie hörte von unten her die Musik hochklingen. Es waren immer bestimmte Melodien. Weich, erotisch und zärtlich. Musik, die besonders von den Gästen geliebt wurde.
Tricia hörte sich heftig
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