1083 - Das Mondschein-Monster
Wald finden würden. Möglicherweise gab es Hinweisschilder. Wenn nicht, mußten wir uns den Weg erfragen.
Es war eine einsame Gegend. Etwas hügelig, auch bewaldet. Etwas für Träumer und Romantiker.
Eine klare Luft, keine Industrie, und die Straße führte geradewegs auf Longcross zu.
Auch als Autofahrer konnte man hier entspannt fahren, denn der Verkehr hielt sich in Grenzen. Hin und wieder kam uns ein Fahrzeug entgegen. Mal war es ein Trecker, der einen beladenen Wagen hinter; sich herzog, dann wieder saß jemand auf einem Rad oder einem Moped. Ländliches Leben, in das sich diese wunderbare Abendstimmung eines vergehenden Herbsttages hineinmischte.
Durch die Schlitze der Lüftung drang die frische Luft in den Wagen. Sie brachte genau den Geruch mit, den ich schon als Kind so gern im Herbst gehabt hatte.
Das alte Laub roch. Die Felder gaben ebenfalls einen erdigen Geruch ab, und wir sahen auch die ersten Feuer auf den weiten Flächen. Dort wurden Reste verbrannt oder Mais und Kartoffeln in den Flammen gegart und geröstet.
Suko hatte mein Lächeln gesehen und wollte wissen, was mit mir los war.
»Ach, nicht viel. Ich habe nur an meine Jugend gedacht, wenn wir aufs Land fuhren.«
»Und?«
»Tja, was soll ich sagen, Suko? Es hat sich nicht viel verändert, wirklich nicht. Wenn ich mich hier umschaue, habe ich eher das Gefühl, daß die Zeit einfach stehengeblieben ist. Sie hat gestoppt und das, obwohl London nicht mal so weit entfernt ist. Schließlich bewegen wir uns nicht durch die Einsamkeit des schottischen Hochlandes. Ich jedenfalls finde es gut.«
»Kann ich mir denken. Würde mir ebenso ergehen, wenn ich hier aufgewachsen wäre. Nur gab es damals noch keine Wald-Sauna oder Puffs auf dem Land.«
»Zumindest nicht so offen.«
Die Straße führte schnurgerade auf den Ort zu. Noch war es nicht völlig dunkel, aber der Ball der Sonne hatte schon abgenommen und tauchte ein in die Unendlichkeit. Noch war ihr roter Schimmer vorhanden und drückte sich hinein in die grauen Wände der Dämmerung, um ihr einen rötlichen Farbton zu geben.
Dann sahen wir den Ort.
Häuser, Dächer, eine Kirche, die ihren Turm stolz emporreckte. Longcross lag nicht nur an der Straße, sie führte hindurch und teilte die kleine Ortschaft. Der Wald war ebenfalls zu sehen. Zu beiden Seiten hin wuchs er wie ein grauer Schleier an den niedrigen Wänden hoch. Da waren dann die Felder verschwunden und hatten den grünen Rasenmatten Platz schaffen müssen.
»Idyllisch«, sagte Suko. »Du hast recht, John, eine wirklich wunderschöne Abendstimmung.«
»Die auch trügen kann.«
Er zuckte mit den Schultern.
Die beiden Scheinwerfer malten weiße Flecken auf die Fahrbahn. Erste Häuser reihten sich rechts und links der Straße. Sie standen nicht dicht zusammen. Zwischen ihnen befand sich genügend Platz für wunderschöne kleine Gärten. Zwar war die Zeit der Sonnenblumen vorbei, aber auf der rechten Seite sahen wir noch ein Feld mit diesen Blumen, die allerdings nicht mehr so aussahen wie noch vor Wochen. Sie wirkten ziemlich blaß und ließen die Köpfe hängen. Ein schmaler Feldweg führte in das Feld hinein und teilte es.
»Kein Hinweis auf unsere Sauna«, bemerkte Suko.
»Damit habe ich auch nicht gerechnet. Überleg mal. Wer hier lebt, der schämt sich möglicherweise dafür, daß es so etwas überhaupt gibt. Ausgerechnet noch auf dem Land und nicht im Sündenpfuhl der Großstadt. Damit zurechtzukommen, ist schon schwer, denke ich.«
»Dann werden wir uns eben durchfragen.«
Nach dieser Bemerkung konnte ich ein Lachen nicht unterdrücken. »Was meinst du, wie die schauen werden?«
»Das sind sie bestimmt gewohnt.«
»Klar, so kann man das auch sehen.«
In Orten wie Longcross herrschte nie viel Betrieb. Am Abend jedoch flaute er noch mehr ab, und so fuhren wir in einen sehr stillen Ort hinein.
Sogar die Kirchenglocken meldeten sich zu unserer Begrüßung und trugen ihren Klang weit über das Land.
Man hatte die Bäume hier nicht abgeholzt, sondern sie wachsen lassen. Der eigentliche Wald war jetzt nur an der linken Seite zu sehen. Dort bildete er ein geschlossenes Gebiet.
Suko stoppte neben einem am Straßenrand stehenden Caravan. Ein Mann war damit beschäftigt, Säcke mit Dünger auszuladen und sie auf einer Sackkarre zu stapeln.
Nachdem wir gestoppt hatten, richtete er sich auf und blickte auf mein Gesicht, das ihn aus dem offenen Fenster anschaute. »Was wollen Sie?«
Obwohl die Frage nicht eben freundlich
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