1084 - Operation Kardec-Schild
gerissen hatte. Die Umwelt wurde wieder lebendig. Der Blick des Mädchens hatte seine Gewalt über ihn verloren. Das Leck seines psionischen Reservoirs war verstopft. Die Kälte ließ nach. Das Mädchen spürte, wie er sich ihrem Griff entwand. Ihr Gesicht nahm einen zornigen Ausdruck an.
„Wer bist du?" fragte er.
„Ich bin Srimavo", antwortete sie heftig. „Narr! Du kenntest meinen Namen längst, wenn du dich in Terrania nach mir erkundigt hättest."
„Srimavo", staunte er. „Ich habe von dir gehört..."
„Jeder hat von mir gehört", fiel sie ihm verächtlich ins Wort. „Aber erst heute werden sie erkennen, daß ich nicht die bedauernswerte, verwirrte kleine Sphinx bin, sondern eine Macht, mit der sie zu rechnen haben."
„Was willst du von Gesil?"
Die Antwort kam aus unerwarteter Richtung. Hinter ihm sagte eine dunkle Stimme: „Du hast es gehört. Sie will mich vernichten."
Atlan fuhr herum. Ein paar Schritte hinter ihm, am Rand des alten Fahrwegs, stand Gesil. Sie hatte den Blick auf die Gegnerin gerichtet. In ihren Augen tobte ein finsteres Feuer. Wie ein Automat setzte sie einen Fuß vor den ändern und schritt auf Srimavo zu.
Das Mädchen rührte sich nicht. Ein Ausdruck unbändiger Gier war auf ihrem schmalen Gesicht erschienen. Atlan trat zur Seite. Es war eine instinktive Reaktion. Er floh aus dem tödlichen Kräftefeld, das sich zwischen den beiden fremdartigen Wesen spann.
Gesil begann zu sprechen. „Hab Dank, mein Freund", sagte sie mit ungewöhnlich sanfter Stimme, „daß du meinem Ruf gefolgt bist. Ich wußte, daß es zum Kampf kommen würde. Meine einzige Chance, ihn siegreich zu bestehen, lag darin, den Ort zu bestimmen, an dem er ausgetragen wird. Es war mir klar, daß sie meine Spur finden und mir folgen würde. Es kam mir nur darauf an, als erste hier zu sein und mit dem Terrain vertraut zu werden. Nicht mit dem Sumpf, dem Buschland, dem Dschungel, sondern mit der Aura, die sich über diesem uralten Land wölbt. Ich habe gefunden, wonach ich suchte. Auch mein zweites Ziel habe ich erreicht. Srimavo wußte, daß ich dich hinter mir herzog. Ich gab ihr Gelegenheit, dich abzufassen. Sie würde versuchen, mit deiner Hilfe ihren Vorrat an seelischer Kraft zu ergänzen. Nur du konntest ihr Widerstand leisten. Meine Rechnung ging auf. Sie zapfte dich an, aber ich spüre, daß sie ihr Ziel nicht erreicht hat. Bevor sie dich leersaugen konnte, erkanntest du die Gefahr und wehrtest dich mit Erfolg. Hätte ich mich verrechnet, dann wäre dein Leben verwirkt. Ich bot dich ihr als Opfer an, damit ich eine größere Aussicht hätte, den Kampf zu gewinnen. Du bist, ohne ihn zu kennen, auf meinen Plan eingegangen. Auch dafür gilt dir mein Dank."
Drei Schritte vor Srimavo war sie stehengeblieben. Das Mädchen hatte seit Gesils unerwartetem Auftauchen kein Wort gesprochen. Ein unheimliches Duell spielte sich zwischen den zwei fremden Geschöpfen ab - ausgefochten mit den Augen, aus denen dunkle Glut flammte. Atlan stand abseits, unfähig, den Blick von der Szene zu wenden.
Er spürte, daß hier Kräfte am Werk waren, die sich seinem Verständnis entzogen. Er war hilflos. Er hatte keine Wahl, als den Ereignissen ihren Lauf zu lassen.
Von Osten hatte sich eine dunkle Wolkenbank herangeschoben. Der Wind frischte auf.
Es wurde kühl. Ein fahles Zucken huschte über den düsteren Himmel. Krachender Donner rollte über das niedrige Land.
„Es ist soweit", sagte Srimavo mit der dunklen, rauchigen Stimme einer Erwachsenen.
„Fangen wir an."
Ein wirrer Gedanke schoß Atlan durch den Sinn. War es möglich, daß er es nicht mit zwei Individuen zu tun hatte, sondern mit... zwei Ausdrucksformen ein und derselben Wesenheit?
4.
„Das werden Sie mir näher erklären müssen", sagte Clifton Callamon.
„Es gibt nicht viel dazu zu sagen", antwortete Brick Entel. „Ich handle nach Befehl. Ich bin angewiesen, Sie als Überbringer zu betrachten und Ihnen jegliche aktive Beteiligung an dem eigentlichen Experiment zu versagen."
„Als ich landete, wußten Sie nicht einmal, in welcher Angelegenheit ich hier herkam", brauste Callamon auf. „Wie wollen Sie erfahren haben, daß ich mich an dem Experiment nicht beteiligen darf?"
„Genauso, wie ich sagte", antwortete Brick ungerührt. „Es bedarf keiner Einzelheiten, um mir klarzumachen, daß ich Sie dem Versuch fernhalten soll. Natürlich haben Sie das Recht, die Unterlagen des diesbezüglichen Funkverkehrs einzusehen."
Clif ton Callamon schwieg
Weitere Kostenlose Bücher