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1086 - Der Vampir und der Engel

1086 - Der Vampir und der Engel

Titel: 1086 - Der Vampir und der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Zeit. Er gab sich Zeit, und sehr langsam verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln.
    Dabei hatte Estelle den Eindruck, daß dieses Lächeln sprechen konnte, so als wollte es sagen: Jetzt habe ich dich doch!
    Das Lächeln blieb und breitete sich sogar noch aus. Er öffnete dabei den Mund und präsentierte die beiden Vampirzähne, die nicht einmal zu lang waren. Sie wirkten kurz, aber kompakt und liefen an den Enden spitz zu.
    »Warum?« hauchte sie.
    »Weil ich hungrig bin. Ich will Blut. Ich will besonders dein Blut, meine Kleine.«
    Sie schnappte nach Luft. »Aber… aber… ich habe dir nichts getan. Ich will…«
    »Es wird mir schmecken. Außerdem bist du etwas Besonderes, kleine Estelle.«
    »Bitte…«
    »Nein, nein«, sprach er mit sanfter Stimme. »Bitte mich um nichts, denn du weißt genau, daß ich dir die Bitte nicht erfüllen kann. Ich habe dich bewußt ausgesucht, und dabei bleibt es auch.« Er streckte die Hand aus und bewegte sich dabei etwas nach vorn.
    Estelle konnte nicht mehr zurück. Sie war in der klassischen Opferrolle gefangen und wußte es auch. Sie spürte die Kälte auf ihrer Haut, als sie sich verkrampfte und plötzlich wünschte, ohnmächtig zu werden.
    Der Gefallen wurde ihr nicht getan. Sie blieb auf der Stelle stehen und erlebte alles sehr genau.
    Noch stärker als sonst, und sie fror auch dabei.
    Er faßte sie an.
    Es war ein Streicheln, wirklich nicht mehr. Seine kalte Handfläche glitt über ihre linke Wange, und bei dieser Berührung schauderte sie zusammen. Estelle hatte das Gefühl, von einem leichten elektrischen Schlag getroffen zu werden, und dieses Rieseln erreichte sogar ihre Füße.
    Er liebkoste sie mit seiner Klaue. Wie ein Tiger seine Jungen streichelt, doch die Zärtlichkeit würde bald verschwunden sein, wenn er richtig zuschlug. Noch hielt er seine Gier zurück und genoß die Vorfreude auf den Biß.
    Der Zug rollte weiter.
    Die Nacht glich einem unendlichen Tunnel, der nur hin und wieder von Lichtreflexen durchbrochen wurde, aber das sah Estelle nicht. Sie stand in ihrem Gefängnis. Vom trüben Licht der Deckenleuchte angestrahlt, das dem Vampir nichts ausmachte.
    Es stimmt also nicht, daß die Blutsauger nur in Särgen oder Gruften leben, weil sie kein Licht vertragen können. Dieser Gedanke schoß ihr durch den Kopf, und sie merkte, wie sie sich innerlich verkrampfte. Das Zittern konnte sie nicht unterdrücken, und es war ihr egal, ob er es sah oder nicht.
    »Ich hätte mir alle Menschen hier holen können«, sagte er. »Aber ich tat es nicht. Irgendwo habe ich auf dich gewartet, meine Kleine. Ich spürte, daß du etwas Besonderes bist. Ja, das bist du.« Er zog seine Lippen in die Breite. »Du bist wirklich etwas Besonderes, und deshalb schlürfe ich dein Blut mit dem größten Vergnügen.«
    »Nein, nein, das bin ich nicht. Du irrst dich!« Estelle Crighton unternahm einen letzten Versuch.
    »Ich bin ein Mensch, ein völlig normaler Mensch, hörst du?«
    Er schüttelte den Kopf und hob dabei die rechte Augenbraue an. »Komisch, kleine Estelle, ich glaube dir sogar. Wahrscheinlich weißt du selbst nicht, was mit dir los ist.«
    Seine Worte hatten sie erst leicht und jetzt direkt verunsichert. Damit kam sie nicht zurecht. Aber sie vergaß seine Nähe und ihre Angst, denn ihr fiel etwas ein, was möglicherweise mit seiner Aussage zu tun hatte.
    Wie war das noch gewesen, als sie dicht am Fenster gesessen hatte und in die Scheibe geschaut hatte.
    Sie hatte ihr Gesicht gesehen, aber es war ihr anders vorgekommen. Nicht so deutlich wie es hätte sein müssen. Zwar auch nicht abgemalt wie in einem Spiegel, aber sie hätte es nicht so verschwommen sehen müssen. Es wirkte weggetaucht, wie verschluckt, und das war schon außergewöhnlich gewesen.
    Estelle bewegte ihre Augen. Der Druck der Vampirhand lag noch immer an ihrer Wange, aber die erste große Furcht war vorbei. Zudem spürte sie, wie der Zug wieder an Geschwindigkeit verlor. Sie näherten sich einem weiteren Halt.
    Auch Ezra hatte es festgestellt, und er schüttelte den Kopf. »Keine Hoffnung für dich, Estelle, überhaupt keine. Auch wenn wir anhalten, ich bin stärker. Ich kriege dich…«
    Estelle hatte mal gelesen, daß man versuchen sollte, den Gegner in einer gefährlichen Lage abzulenken. Daran erinnerte sie sich und fragte deshalb: »Wer bist du? Wo kommst du her…?«
    »Du kennst meinen Namen. Alles andere brauchte dich nicht zu interessieren. Es muß dir genügen, wenn ich sage, daß ich aus einer

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