1087 - Blutjagd
gewesen, die schnell vorbei war. Sie stolperte in das Abteil hinein und hörte auch das Knurren.
Dabei wußte sie nicht, wer es ausgestoßen hatte. Es befand sich noch eine zweite Person im Abteil, ein älterer Kollege der jungen Frau, aber auch ihn hatte es erwischt. Er lag auf der Sitzbank und war dabei, sich aufzurichten. Auf seinem hellen Oberlippenbart sah Estelle das Blut wie einen rotbraunen Strich.
Sie konnte noch den einen Arm schützend vor ihr Gesicht halten, bevor sie den Schlag in den Rücken erhielt, der sie zu Boden warf. Verkrümmt landete sie auf dem Teppichbelag. Die Luft war ihr knapp geworden. Sie riß den Mund so weit wie möglich auf, um einzuatmen, was wiederum mit Schmerzen verbunden war.
Lange lag sie nicht. Diesmal waren es zwei Hände, die sie auf die Füße rissen, herumrissen und ihr dann einen Stoß gaben, der sie auf den Sitz schleuderten.
Dort blieb Estelle sitzen. Aber sie kam nicht mehr weg, denn die Schaffnerin versperrte ihr den Weg.
Sie schwankte leicht. Es lag an den Bewegungen des Zuges. Am Fenster bewegte sich ihr Kollege.
Er wirkte auf die junge Frau ziemlich benommen, wahrscheinlich kam er mit seinem Zustand noch nicht zurecht.
Estelle unterdrückte ihre Panik. Was man mit ihr vorhatte, war nicht neu. Schon einmal hatte jemand versucht, ihr Blut zu trinken, aber der war zurückgewichen und später sogar vor ihr geflohen.
Auch wenn es sich makaber anhörte, aber es stimmte. Sie war für Vampire ungenießbar. Zumindest was das Blut anging.
Nicht, daß die Furcht in völlige Ruhe übergegangen wäre, aber sie konnte damit umgehen, schrie auch nicht, sondern schaute in das Gesicht der Schaffnerin.
Es war ein nettes Gesicht. Etwas rund, leicht pausbäckig, bedeckt mit Sommersprossen, die farblich zu der Haarflut paßten.
Und doch sah sie schrecklich aus. Der offene Mund zeigte die Zähne. Sie atmete auch nicht mehr.
Trotzdem gab sie Geräusche ab. Tief in der Kehle entstand ein Röcheln. Als würde dort etwas köcheln.
Wenn Vampire überhaupt einen Ausdruck in den Augen haben konnten, dann war es die Gier. Sie stand deutlich in den hellen Augen dieser Person zu lesen. Sie wollte, sie brauchte Blut, und da war ihr Estelle gerade recht gekommen. Zudem wirkte sie schon rein körperlich nicht wie ein Mensch, der sich zu wehren verstand. Estelle, von Beruf Model und Mannequin, wirkte eigentlich sehr zart. Sie gehörte zu den Personen, die Kleidergröße 38 trugen und kein Gramm zuviel auf die Waage brachten. Das Gesicht war schmal, aber nicht knochig. Die silberblonden Haare umgaben es wie ein glatter Vorhang, der erst in Höhe der Schultern endete. Helle Augen, eine kleine Nase, ein feingeschnittener Mund. Wer sie sah, mußte einfach das Gefühl bekommen, sie beschützen zu wollen.
Aber auch in ihr floß Blut!
Es war das Leben. Es war die Kraft. Es pumpte durch die Adern, es war immer vorhanden, trotz der Blässe, die Estelles Gesicht zeichnete. Das merkte die Schaffnerin, die das Opfer zunächst für sich allein haben wollte. Ihr Kollege war noch immer mit sich selbst beschäftigt. Er wand sich auf dem Sitz, sein Kopf pendelte manch mal vor und wieder zurück und schabte auch an der Scheibe entlang.
Die Schaffnerin packte zu. Sie war wild darauf, endlich Nahrung zu bekommen, und so nahm sie auch keine Rücksicht. Sie erwischte Estelle und auch einen Teil ihrer Haare, an denen sie zerrte.
Brutal riß sie die Frau wieder auf die Füße, um sie einen Moment später wie der nach unten zu pressen.
Diesmal fiel sie mit.
Sie legte Estelle zur Seite und preßte ihren Körper auf den der Frau. Estelle hatte sich nicht gewehrt.
Nicht, weil sie es nicht gekonnt hätte, sie wollte etwas Bestimmtes ausprobieren und hoffte, daß es auch bei dieser Untoten klappte.
Sie hörte das Knurren, das dicht an ihrem linken Ohr entlangglitt. Sie spürte das Wandern der kalten Vampirfinger über ihren Körper hinweg. Sie merkte, wie die Schaffnerin ihr Knie anzog, um Estelle noch stärker gegen den Sitz zu pressen.
Und dann riß die Bestie den Mund weit auf.
Estelle sah es, weil sie zur Seite geschielt hatte. Plötzlich durchstieß sie ein Angststoß. Sie wollte schreien, weil sie davon ausging, daß sie sich geirrt hatte.
Zudem berührten sie die Zähne. Und fast an der gleichen Stelle, an der dieser Vampir hatte zubeißen wollen.
Der Biß!???
Nein, nur die Berührung, das Hinstechen der Spitze, das die alte Wunden tiefer machte. Im nächsten Augenblick schnellte der Kopf der
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