1089 - Horrorland
Sinn, John.«
Ich drehte mich um, als ich von Suko angesprochen worden war.
Auch er hatte sich erhoben. Er stand vor mir. Mit einer Hand wischte er über seine Augen und betastete auch die Stirn. Ihm schien es etwas schlechter zu gegangen zu sein als mir. Seine Erklärung klang plausibel. »Ich bin dumm gefallen und mit der Stirn aufgeprallt. Das hat mir für eine gewisse Zeit Probleme bereitet.«
»Deshalb war ich vor dir auf den Beinen.«
»Alles klar.« Er stemmte die Hände in die Seiten und drehte sich auf der Stelle. »Soll ich dich fragen, wo wir sind, und würdest du mir auch eine Antwort geben?«
»Zumindest nicht in Aibon.«
»Genau, aber auch nicht weit weg.«
»Da die Tür verschlossen ist, und das sicherlich aus guten Gründen, wird man etwas mit uns vorhaben. Ich bezweifle, daß uns Babette laufenlassen will. Wir haben einfach zu viel gesehen und kennen das Geheimnis ihres verstorbenen Mannes. Sie hat genau gewußt, warum sie uns in die Wohnung lockte.«
Suko stimmte mir zu und sagte dann: »Ich hätte den verdammten Wein nicht trinken sollen. Das wäre mir früher nicht passiert, aber ich gewöhne mich allmählich an gewisse Rituale. Die hat uns nach allen Regeln der Kunst eingeseift.«
Da konnte ich nicht widersprechen. Es brachte nichts, wenn wir uns gegenseitig mit Vorwürfen überschütteten. Wir hatten uns selbst reingerissen und mußten aus eigenen Kräften wieder rauskommen. Allzu schlimm sah ich unsere Lage nicht, auch wenn dieser Raum hier schon recht ungewöhnlich war und wir beide davon ausgingen, daß wir erst am Beginn des Ärgers standen.
Ich holte mein Handy hervor und gab einen entsprechenden Kommentar ab. »Gern tue ich es nicht, Suko, aber diesmal könnten uns die Kollegen raushauen.«
»Klar, damit sie was zu lachen haben.«
Wir hatten nichts zu lachen und starrten ziemlich ärgerlich ins Leere, als ich merkte, daß mein Handy zwischen diesen Wänden nicht funktionierte. Ich erhielt einfach keine Verbindung und sprach erst gar nicht. Dafür hielt ich Suko den schmalen Apparat entgegen.
»Okay, willst du es noch einmal versuchen?«
»Bestimmt nicht. Diese Madame hat sich sehr gut abgeschottet, das muß man ihr lassen.«
»Wie geht es weiter?« Der Inspektor schnippte mit den Fingern, um sich selbst eine Antwort zu geben. »Ich rechne nicht damit, daß wir es hier mit normalen Zeichnungen zu tun haben. Das hier ist eine Welt für sich, und sie ist anders, weil Jerry Caine die Verbindung zu Aibon gehabt hat. Ich kann mir auch vorstellen, daß er, als er dieses Kunstwerk schuf, sich so hinein hing, daß der direkte Kontakt zu Aibon hergestellt worden war und er die Grenzen zu seinen beiden Personen überschreiten konnten, die wohl lebten, ebenso wie die verdammten Vögel, die ihre Saat oder ihren Keim in ihm hinterlassen haben. Der Maler hat sich übernommen und sich überschätzt.«
»Stimmt alles, Suko. Allerdings frage ich mich, wie er überhaupt darauf gekommen ist, dieses Bild in mehrfacher Ausführung zu malen. Was hat ihn dahin geführt? Erst wenn wir das herausgefunden haben, bekommen wir auch die Lösung.«
Suko zuckte die Achseln. »Durch einen Traum vielleicht. So abwegig ist das nicht, wie du selbst weißt.«
»Ja, auch möglich.«
Bisher hatten wir uns die Bilder zwar angesehen, aber nur aus einer bestimmten Entfernung. Beide wollten wir näher an sie heran und sie auch abtasten.
Schon oft genug hatten wir auf diese oder ähnliche Art und Weise herausgefunden, daß Bilder oder große Gemälde nicht ganz koscher waren. Wir wußten, daß sie auch der Weg in andere Welten sein konnten, in fremde Dimensionen. Das alles wäre für uns auch in diesem Fall keine Überraschung gewesen.
Wir trennten uns. Suko nahm sich die rechte Wandseite vor, ich kümmerte mich um die linke.
Daß dünne Nebelschwaden durch den Raum zogen, daran hatte ich mich gewöhnt. Durch ein Fenster konnten sie nicht dringen, es gab auch keine Nebelmaschine, also blieben nur die Bilder, aus denen der Nebel herausgekrochen war. Sollte es so sein, dann konnten wir davon ausgehen, daß die Bilder lebten.
Wie schon so oft blieb ich vor dem Wald stehen. Er nahm wirklich den gesamten Umfang der Wand ein. Da ich sehr dicht vor der Wand stand, übersah ich nur einen kleinen Ausschnitt. Ich konzentrierte mich dabei auf das seltsame Paar und die gefährlichen Kugelvögel mit ihren spitzen, messerscharfen Schnäbeln.
Zuerst fuhr ich mit allen Fingerkuppen über die Wand hinweg. Ich wartete darauf,
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