1089 - Horrorland
großer Engel.
Ich folgte ihr, als sie sich umgedreht und einmal kurz gewinkt hatte. Das Zeichen hatte auch Suko gegolten, der sich ebenfalls in Bewegung setzte und einen langen, zugleich schwankenden Schritt nach vorn trat, direkt hinein in die andere Welt, von der wir zunächst nicht viel sahen.
Beide starrten wir zwar in das Zimmer hinein, doch dessen Proportionen hatten sich für uns verändert. Es gab vier Wände, die auch bemalt waren. Der Künstler hatte sie in großflächige Bilder verwandelt, und das Schicksal schien mir plötzlich positiv entgegenzustehen, als ich bemerkte, daß man mich zu sich heranzog und ich gleichzeitig alles so überdeutlich erkennen konnte.
Wie es Suko erging, wußte ich nicht. Mir jedenfalls öffnete sich der Raum mit allen Einzelheiten, und das waren im besonderen die vier Wände.
Jerry Caine hatte sie nach seinen Vorstellungen ausgemalt. Wunderbare, monumentale und auch detailgetreue Bilder. Es gab keine verschiedenen Motive. Jede Wand zeigte das gleiche, und als ich nach vorn schaute auf die Stirnseite des Zimmers, da fiel mir wieder ein, was ich in dem Buch des Weihnachtsmanns gesehen hatte.
Die wilde Landschaft. Hügel und Täler. Nadelbäume, die von einer Nebelflut umspielt waren und mit ihren Spitzen aus der grauen Suppe hervorlugten.
Ein tolles, wild romantisches Herbstbild öffnete sich mir, aber auch ein gefährliches. Da gab es noch die Frau im blauen Kleid, deren Outfit so gar nicht in diese Umgebung passen wollte. Ganz im Gegensatz zu dem des Mannes, der wie ein Krieger gekleidet war.
Einen Lenden-, einen Schulter- und einen Handschutz trug er. Er hielt auch die zweischneidige und mächtige Axt fest, aber er hatte nicht verhindern können, daß sich einer der großen Vögel an seiner rechten Wade festgebissen hatte, wobei zwei andere die Frau und ihn wie Monstren aus der Luft umflatterten.
Die gleiche Szene wiederholte sich zweimal. An der rechten und auch an der linken Wand zeichnete sie sich ab. Es konnte auch sein, daß sie die Wand einnahm, die durch die Tür unterbrochen war.
Das allerdings sah ich nicht.
Der Himmel über dem Land leuchtete in verschiedenen Farben. Irgendwo war noch das Nachleuchten einer rotgelben Sonne zu sehen. Ihre Strahlen rissen ein großes V-förmiges Loch in das Grau des Himmels. Beinahe wie eine Spirale aus Licht, die aus der Tiefe stieg, um sich dann in die Wolken zu bohren.
Ich hörte Babette sprechen. Ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern. Ich wußte auch nicht, was sie uns erklären wollte, aber sie ging nicht von ihrem Plan ab.
Zwischen uns stehend breitete sie die Arme aus, wie jemand, der sich für ein Foto zu dritt bereitstellte. Das war bei ihr nicht der Fall.
Sie legte die Arme nicht um unsere Schultern, sondern preßte die Hände gegen unsere Rücken.
Sie brauchte uns nicht einmal großartig nach vorn zu stoßen. Der geringe Druck reichte schon aus.
Suko und ich setzten uns zugleich in Bewegung. Den Kontakt mit der Frau hatten wir verloren. Bei unserer momentanen Schwäche rächte es sich schnell.
Ich fühlte mich wie in einem Kreisel. Dabei wußte ich nicht einmal, ob ich mich drehte oder nicht. Wahrscheinlich, denn zweimal sah ich Suko, der ebenfalls in den Raum hineingetrieben worden war und die Arme in die Höhe gerissen hatte.
Beim zweiten Sichtkontakt war er bereits zusammengesackt, und das passierte auch bei mir.
Ich fiel, aber ich schwebte auch. Ich glitt einfach weg und hinein in eine andere Welt, in einen anderen Zustand. Dabei hörte ich das scharfe Lachen der Babette Caine und auch einen dumpfen Laut, als sie die Tür zurammte.
Dann riß mich der Strudel einfach weiter.
Wohin? Ich wußte es nicht, aber in meinen Gedanken baute sich ein Begriff auf.
Aibon…
***
Alles war anders und trotzdem irgendwie gleich. Mein Zustand hatte sich nicht verändert. Als Person war ich der gleiche geblieben, doch in der Umgebung mußte sich etwas geändert haben.
Etwas war anders geworden. Es hing nicht einmal mit dem Boden zusammen, auf dem ich lag. Um mich herum hatte sich die Luft verändert. Die Klarheit hatte sie nicht verloren, nur der Geruch hatte gewechselt, und es war auch kühler geworden.
Etwas strich über meinen Körper hinweg wie mit allmählich schmelzenden Eisfingern. Ich wurde überall berührt auf der nackten Haut, obwohl ich Kleidung trug. Dieses andere drängte sich gegen mich, und die Kälte war auch feucht.
Hinzu kam der Geruch!
Da mein Erinnerungsvermögen überhaupt nicht
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