109 - Der Werwolf und die weiße Frau
ersten Stock.
Die Außenmikrofone übertrugen den schaurigen Lärm, den die magischen Blitze verursachten. Immer wieder rasten sie heran und ließen die Burg erbeben.
Coco stellte den Ton leise und trat zwei Schritte zurück. Immer mehr Dämonen waren zu sehen, die sich gemeinsam konzentrierten. Die Kraft der magischen Blitze wurde stärker. Noch hielten die Dämonenbanner, aber wie lange noch? Sollte es den Dämonen gelingen, eines der Fenster oder das Doppeltor zu öffnen, dann sah es sehr schlecht für sie aus.
Die Dämonen konzentrierten sich jetzt mehr auf den Fensterladen. Das Doppeltor war zu stark gesichert.
Coco legte das Walkie-talkie auf einen Tisch.
„Ich gehe jetzt in das Zimmer, in das die Dämonen einzudringen versuchen", sagte sie.
„Was hast du vor?" fragte Virgil.
„Ich versuche es mit Magie", sagte Coco. „Vielleicht kann ich den Angriff abschlagen."
„Sollen wir mitkommen?"
„Nein, das hat keinen Sinn. Beobachtet die Bildschirme weiter und unterhaltet euch mit Bixby. Sollte es den Dämonen gelingen, das Doppeltor aufzusprengen, dann sollen alle in das unterirdische Gewölbe gehen."
Coco verließ die Fernsehzentrale. Sie lief in den gegenüberliegenden Trakt, wo sich die Labors befanden. Ein unmenschliches Heulen war zu hören, das mit jedem Schritt lauter wurde. Die ehemalige Hexe der Schwarzen Familie mußte nicht lange suchen, bis sie das Labor gefunden hatte, gegen das sich der Angriff der Dämonen richtete.
Sie blieb in der Tür stehen. Der große Raum sah wüst aus. Alle Tische, Regale und Stühle waren umgefallen, die meisten waren zertrümmert. Die Wände und die Decke schwankten hin und her. Die Fensterscheiben waren zerbrochen, doch die Fensterläden, die mit unzähligen Dämonenbannern bedeckt waren, hielten noch stand.
Coco holte aus ihrer Tasche eine kleine Spraydose, die mit einer leuchtenden magischen Flüssigkeit gefüllt war. Sie hatte diese Flüssigkeit selbst vor einiger Zeit nach einem uralten Rezept hergestellt. Langsam schritt sie auf das Fenster zu. Das Heulen wurde lauter. Einer der Fensterläden hatte plötzlich eine Beule. Geschmolzenes Eisen tropfte auf das Fensterbrett.
Coco hob die Spraydose und sprühte etwas von der Flüssigkeit auf den Fensterladen. Augenblicklich stiegen Dampfwolken hoch, und es stank bestialisch im Raum. Immer wieder drückte sie den Knopf nieder, und nach einer halben Minute waren die Fensterläden mit einer grünlich schimmernden Glasur bedeckt.
Mit beiden Händen ums faßte sie die gnostische Gemme, die um ihren Hals baumelte. Sie schaltete völlig ab und fiel in einen tranceartigen Zustand. Die Welt um sie versank. Coco konzentrierte sich ganz auf die vor ihr liegende Aufgabe, die sie einige Kraft kosten würde. Sie versetzte sich in den rascheren Zeitablauf, der eine Spezialität ihrer Familie war. Für die Welt lief die Zeit weiter normal ab, doch für Coco viel rascher. Die magischen Blitze rasten in Zehnsekundenabständen heran. Coco hatte genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Ein Blitz schlug gegen das Fensterbrett. Ihre magischen Kräfte schienen den Blitz zu packen und verschmolzen mit ihm. Ihr Geist verband sich mit dem Blitz und lenkte ihn ab - zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. In diesem Augenblick war sie der grellrote Blitz.
Deutlich sah sie die Dämonen, die vor der Burg standen. Die meisten hatten durchscheinende Körper und hielten sich an den Händen, um ihre unheimlichen Kräfte gemeinsam einsetzen zu können. Der Blitz raste auf die Gruppe zu. Für einen Augenblick sah Coco die häßlichen Fratzen, dann schlug der Blitz in die Dämonen ein, und Coco zog sich zurück.
Das Mädchen versetzte sich wieder in den normalen Zeitablauf, wankte hin und her und griff sich mit beiden Händen an die Stirn. Halb ohnmächtig fiel sie zu Boden und blieb benommen liegen. Nach einigen Sekunden hatte sie sich wieder halbwegs gefangen und stand mühsam auf. Sie fühlte sich völlig leer. So rasch sie konnte, ging sie in die Fernsehzentrale zurück.
„Was hast du gemacht?" fragte Virgil freudestrahlend.
„Es war einfach umwerfend!" schwärmte Burian. „Sieh selbst!"
Coco starrte einen Bildschirm an. Deutlich waren ein halbes Dutzend toter Dämonen zu sehen. Ihre unmenschlichen Körper waren zerrissen. Ein gutes Dutzend anderer Dämonen wand sich vor Schmerzen heulend auf dem Boden.
„Es hat geklappt", sagte Coco leise und lächelte schwach. „Aber das wird sie nicht lange aufhalten." „Du kannst
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